Aufenthalt im Lieblingskurort
Bismarck in (Bad) Kissingen
Kuren in einem „gesegneten Lande“
Seit seiner Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten fuhr Bismarck fast jährlich zur Kur. Er erhoffte sich davon Erholung von den Strapazen der Regierungsgeschäfte und Linderung seiner gesundheitlichen Beschwerden.
Führten die (K)Urlaube ihn zunächst ins böhmische Karlsbad oder nach Bad Gastein, zog es ihn nach der Reichsgründung meist nach Kissingen. Warum sich Bismarck für den Ort in Unterfranken entschied, ist nicht vollständig geklärt. Neben dem guten Ruf des Bades und der Heilkraft des Wassers dürfte den Reichskanzler noch ein dritter Aspekt überzeugt haben: König Ludwig II. von Bayern stellte ihm Pferde zur Verfügung. Sie erlaubten es ihm, die Einsamkeit in den Wäldern des „gesegnete[n] Lande[s]“ zu genießen.
Große Politik in der „Oberen Saline“
Der Grund für den nur relativen Erfolg der Kuren lag in Bismarcks Absicht, die politische Führung nie aus den Händen zu geben. Wie in einer Regierungszentrale empfing der Reichskanzler in der „Oberen Saline“ in- und ausländische Staatsmänner. Hier diktierte er engsten Mitarbeitern Weisungen, die dann per Kurier oder Telegraf nach Berlin geschickt wurden. Hier entstand das berühmte „Kissinger Diktat“ vom 15. Juni 1877. Nicht einmal sein unfreiwilliger Rücktritt 1890 hielt Bismarck davon ab, vom Kissinger Terrain aus Politik zu betreiben. Mit aufsehenerregenden Reden betrieb er seine ganz eigene Form der außerparlamentarischen Opposition gegen Regierung und Kaiser.
Kissinger Bismarck-Verehrung
Der Zustimmung der Kissinger Bevölkerung konnte sich Bismarck sicher sein. Schon zu seiner Regierungszeit hatte der Magistrat dem prominenten Badegast ein Denkmal errichtet und die Ehrenbürgerwürde übertragen. Nach seinem Rücktritt strömten ganze Scharen von nah und fern zu patriotischen Kundgebungen vor seine Wohnung. Zur Begrüßung der Massen und des illustren Gastes forderte der Bürgermeister die Hausbesitzer von Bad Kissingen mitunter auf, ihre Gebäude „beflaggen & illuminiren zu lassen“. Auch an der öffentlich sichtbarsten Form des Bismarck-Kultes, dem Bau von Bismarck-Türmen, nahm die Stadt teil. Fertiggestellt wurde der Turm aber erst 1986, 93 Jahre nach Bismarcks letztem Aufenthalt an der Saale.