Kindheit und Ausbildung
1815 – 1839
Herkunft und Familie
Otto Eduard Leopold von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen an der Elbe bei Stendal geboren. Er hatte fünf Geschwister, von denen neben ihm nur der ältere Bruder Bernhard sowie die jüngere Schwester Malwine das Erwachsenenalter erreichten. Alexander, Luisa und Franz verstarben bereits im Kindesalter. Seine Mutter Wilhelmine Luise von Bismarck entstammte einer Familie aus dem preußischen Bildungsbürgertum, sein Vater Ferdinand von Bismarck dem altpreußischen Landadel. Die Familie von Bismarck war seit dem Mittelalter in der Altmark (im heutigen Sachsen-Anhalt) ansässig.
Die überlieferte Lebensart des preußischen Adels prägte Otto von Bismarck ebenso wie die geistige Welt des hochgebildeten städtischen Bürgertums. Den konservativen Traditionen innerhalb seiner Familie fühlte er sich jedoch besonders verbunden. Während sich die Beziehung zu seinem Vater und zu seinen Geschwistern zeitlebens positiv gestaltete, blieb das Verhältnis zur Mutter unterkühlt.
1816 zog die Familie auf das von einer Verwandten erworbene Gut Kniephof in der preußischen Provinz Pommern. Dort verbrachte der junge Otto zunächst eine unbeschwerte frühe Kindheit. Diese endete abrupt, weil seine ehrgeizige Mutter für ihren Sohn eine Karriere als Beamter oder Diplomat im preußischen Staatsdienst plante.
Schule und Studium
1821 schickte sie den Sechsjährigen in ein Internat, die Plamannsche Anstalt in Berlin, in der schon sein älterer Bruder Bernhard lebte. Zeitlebens verübelte Otto seiner Mutter, ihn in so jungen Jahren in die ferne Haupt- und Residenzstadt Preußens verpflanzt zu haben. Rückblickend erinnerte er sich mit Unbehagen an die strenge Erziehung sowie die mangelhafte Ernährung im Internat. Umso mehr freute er sich, wenn er die Ferien auf Kniephof verbringen durfte.
Ab 1827 besuchte Bismarck das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, 1830 wechselte er auf das Gymnasium zum Grauen Kloster, die älteste Lehranstalt Berlins. Dort erhielt der mit einem scharfen Verstand ausgestattete Otto eine vorzügliche schulische Ausbildung, die durch Hauslehrer – Otto und sein Bruder lebten zu dieser Zeit in der Berliner Stadtwohnung der Eltern – noch vervollkommnet wurde. Sein späteres Entlassungszeugnis bescheinigte ihm zwar Fehlzeiten beim Schulbesuch sowie einen bisweilen unterbrochenen Fleiß, hob aber seine Fremdsprachenkenntnisse sowie seine „erfreuliche Gewandtheit“ im Deutschen hervor. Am 31. März 1831 wurde Otto durch den bekannten Theologen Friedrich Schleiermacher in der Berliner Dreifaltigkeitskirche konfirmiert.
Nach dem Ablegen des Abiturs 1832 nahm er in Göttingen das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften auf. Doch betrieb er seine Studien nur halbherzig; einzig die Vorlesungen des Historikers Arnold Heeren über die Entwicklung des europäischen Staatensystems weckten sein Interesse. Dies passte zu Bismarcks eigentlichem Berufsziel: der Diplomatenlaufbahn. Während des Studiums trat Bismarck der Studentenverbindung „Corps Hannovera“ bei. Der übermäßige Genuss alkoholischer Getränke, Mensuren, Duelle – Bismarck galt als einer der besten Fechter in Göttingen – und Haftstrafen im Universitätsgefängnis, dem Karzer, brachten ihm den Ruf eines Hitzkopfes ein. Mit zwei ausländischen Kommilitonen, dem Amerikaner John Lothrop Motley sowie dem aus dem Baltikum stammenden Grafen Alexander von Keyserling, sollte ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden. Im September 1833 wechselte er an die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, wo er sein Studium erfolgreich abschloss.
Eintritt in den preußischen Staatsdienst
Im Anschluss an das juristische Staatsexamen begann Otto von Bismarck 1835 sein Referendariat am Königlichen Stadtgericht in Berlin. Doch das Aktenstudium langweilte den Nachwuchsjuristen. Sein forsches Auftreten führte zu Konflikten mit seinen Vorgesetzten, da es ihm widerstrebte, deren Anweisungen widerspruchslos auszuführen.
Im Jahr darauf wechselte er vom Justiz- in den Verwaltungsdienst, um seine Aussichten auf eine Stelle im diplomatischen Dienst zu verbessern. Er bewarb sich erfolgreich beim Regierungspräsidium Aachen und setzte dort sein Referendariat fort. Allerdings fand er in Aachen mehr Gefallen an privaten Aktivitäten als an dienstlichen Belangen. Insbesondere mehrere junge Damen aus dem britischen Adel hatten es ihm angetan. Im Sommer 1837 verliebte er sich in die siebzehnjährige Isabella Loraine-Smith. Er ließ sich auf vierzehn Tage beurlauben, um seine Angebetete sowie deren Familie auf ihrer Deutschlandtour zu begleiten, dehnte seinen Urlaub jedoch eigenmächtig auf drei Monate aus. Nachdem die schon ausgearbeiteten Heiratspläne mit der jungen Britin geplatzt waren und Bismarck viel Geld in einem Wiesbadener Casino verloren hatte, kehrte er nach Aachen zurück. Doch nach dieser dreisten Unternehmung fand er hier keine Verwendung mehr. Er bat um Versetzung an das Regierungspräsidium Potsdam, wo er sein Referendariat fortsetzen konnte.
Militärzeit und Austritt aus dem Staatsdienst
1838 unterbrach Bismarck das Referendariat und absolvierte seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim Garde-Jägern-Bataillon in Potsdam sowie beim Pommerschen Jäger-Bataillon Nr. 2 in Greifswald. Zuvor hatte er vergeblich versucht, sich durch Vortäuschung einer Muskelschwäche im rechten Arm vor dem Wehrdienst zu drücken. Nach Beendigung seiner Wehrdienstzeit verließ er endlich den ungeliebten Staatsdienst, der dem selbstbewussten Otto zu wenig Freiheiten geboten hatte. Erleichtert wurde ihm diese Entscheidung durch den Tod seiner Mutter am 1. Januar 1839. Er und sein Bruder Bernhard übernahmen nun die Bewirtschaftung der Güter Kniephof, Külz und Jarchlin in Pommern.