Familiäres Bollwerk

    Ehe und Kinder

     

    Die adelige Ehe diente auch im 19. Jahrhundert noch in erster Linie dem Prestigegewinn. Auf diese Weise erweiterten adelige Familien nach hergebrachten gesellschaftlichen Maßstäben das eigene Haus und führten es standesgemäß fort. Das galt auch für Otto von Bismarck. Zunehmend wichtiger wurde dies für ihn nicht zuletzt wegen seiner politischen Ambitionen. Als junger Mann hatte er jedoch seinen Ruf als ein über die Stränge schlagender „toller Junker“ und damit als Heiratskandidat ziemlich ramponiert.

     Otto von Bismarck ca 18501Otto von Bismarck, Druck nach einem Gemälde von Moritz Berendt, 1850 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Johanna von Bismarck, geb. von Puttkamer (1824 – 1894)

    Die am 27. Juli 1847 mit Johanna von Puttkamer geschlossene Ehe ebnete Otto von Bismarcks Weg wie gewünscht. Die neun Jahre jüngere Braut entstammte einem pietistischen Elternhaus. Ihre Familie gehörte jener religiösen Erweckungsbewegung an, die innerweltlich enthaltsam lebte, streng bibelgläubig und gefühlsbetont fromm war. In Hinterpommern waren die Puttkamers mit vielen der dort ansässigen, landbesitzenden Adelsfamilien verwandt und entsprechend gut im dortigen hochkonservativen politischen Milieu vernetzt. Die Einheirat in diese angesehene Familie erleichterte Otto von Bismarck den Zugang zu Kreisen, die zu jenem Zeitpunkt für eine politische Karriere besonders wichtig waren.

    Otto und Johanna von Bismarck teilten adeligen Standesstolz, konservative Anschauungen und fungierten in Diplomatie und Politik als Arbeitspaar. Johanna von Bismarck übernahm die üblichen offiziellen Aufgaben bei öffentlichen Auftritten in Gesellschaften bei Hof und anderen Adelskreisen, an der Seite ihres Ehemanns oder allein. Als pietistische Landadelige war sie zu Häuslichkeit, Fleiß und Gottesfurcht erzogen worden. Mit dieser Haltung leitete sie den Politikerhaushalt und erzog die drei gemeinsamen Kinder. Beides gehörte ebenfalls in den ihr zugeordneten Zuständigkeitsbereich des Arbeitspaars. Sowohl Haushaltsführung als auch Kindererziehung waren auch deshalb ganz an den Bedürfnissen Otto von Bismarcks orientiert. Aus den Kindern Marie, Herbert und Wilhelm sollten stets rufbereite, unbedingt loyale Stützen des Vaters werden. Sie selbst wurde zur unentbehrlichen Organisatorin eines Rückzugsraums für den Politiker, der eine aus ihrer Sicht zwanglose Geselligkeit vorsah.

    Glücklich war Johanna von Bismarck mit der eingeschlagenen Karriere ihres Ehemanns gleichwohl nicht. Die damit verbundene hohe Mobilität einschließlich der wiederholten Umzüge war sie weder gewohnt noch schätzte sie sie. Genauso wenig lagen ihr die öffentlichen Auftritte.

    Die erste Phase der Ehe fiel mit dem Zeitpunkt der Revolutionen von 1848 zusammen. Johanna von Bismarck sah in ihnen vornehmlich eine Gefährdung der überkommenen Lebenswelt der ostelbischen Gutsbesitzer, und das mobilisierte sie politisch stark. Das gemeinsame Engagement in der Gegenrevolution schweißte das Ehepaar zusammen. Als aber die Versuche, die alte Ordnung zu konservieren, spätestens mit dem Durchbruch der Moderne zur Illusion geworden waren, nahm dies in Johanna von Bismarcks Augen dem konservativen politischen Kampf den Sinn. Ihre Sehnsucht nach einem Rückzug ihres Ehemanns aus der Politik teilte dieser allerdings nicht, weshalb sie sich mit diesem Ansinnen nicht durchzusetzen vermochte. Umso schwerer wog daher in ihren Augen die Entlassung des gealterten Reichskanzlers durch den jungen Kaiser: Wie ihr Ehemann empfand sie sie als Demütigung.

    Wie Otto von Bismarck erkrankte sie häufig und noch stärker als er. Ihre Unzufriedenheit verschärfte ihren Hang zu Äußerungen von Hass und Hetze, vorwiegend auf politischem Gebiet. In ihrem adeligen Umfeld war dies für eine Frau ausgesprochen ungewöhnlich.

    Johanna von Bismarck starb zwar 1894 in Pommern, auf Gut Varzin. Eine endgültige Grabstätte erhielt sie jedoch erst 1899, an der Seite ihres Ehemanns im Bismarck-Mausoleum in Friedrichsruh.

     Johanna von Bismarck 1847 Otto von Bismarck StiftungJohanna von Bismarck, 1847 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

     Marie zu Rantzau, geb. von Bismarck (1848 – 1926)

    Marie wurde als ältestes Kind von Otto und Johanna von Bismarck in Schönhausen geboren. Zunächst profitierte sie vom gemeinsamen Hausunterricht mit ihren Brüdern enorm. Deren Wechsel in ein Gymnasium und an die Universität empfand sie als eine Zurücksetzung. Denn sie selbst musste, ganz zeittypisch, als Mädchen im Elternhaus verbleiben. Ein schwerer Schicksalsschlag war für sie als junge Frau außerdem, dass ihr erster Verlobter, Wendt zu Eulenburg (1845 – 1875), plötzlich verstarb.

    In den politischen Alltag ihres Vaters wurden alle drei Kinder einspannt. Maries Arbeitspensum war umfassend: Sie vertrat ihre Mutter bei repräsentativen Auftritten an der Seite des Vaters und umsorgte den wiederholt kranken und dennoch im fortgeschrittenen Alter noch immer aktiven Staatsmann.

    1878 heiratete sie Kuno zu Rantzau. Er wurde nach der Heirat ebenfalls mit Aufgaben im Politikerhaushalt versehen. Neben seinen diplomatischen Posten übernahm er Sekretariatsdienste für seinen Schwiegervater Otto von Bismarck, allerdings nicht immer zu dessen und seiner eigenen Zufriedenheit.

    Den Lebensträumen der Politikertochter entsprach all dies nicht, ohne dass ihr die Loslösung von den Eltern gelang. Daraus resultierten Spannungen, die dazu führten, dass Marie sich immer mehr in sich zurückzog. Auch aufgrund des Übergewichts, zu dem sie später neigte, geriet sie in einen Teufelskreis: Die gesellschaftliche Norm, nach der sie deshalb als äußerlich unansehnlich galt, verschärfte die von den Familienzwängen herrührende innere Unsicherheit. Darunter litt die Mutter dreier Söhne, von denen zwei vor ihr starben, bis zu ihrem einsamen Tod schwer.

     Marie von Bismarck um 1875 Otto von Bismarck StiftungMarie von Bismarck, Fotografie, um 1875 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Herbert von Bismarck (1849 – 1904)

    Die Konzentration auf den ältesten Sohn entsprach einer traditionellen Adelsvorstellung. Auch in diesem Sinne war dem Reichskanzler und Ministerpräsidenten seit jeher die Unterstützung des älteren, in Berlin geborenen Sohnes Herbert unentbehrlich. Nach einem Jurastudium in Bonn und ersten Ausbildungsetappen im Staatsdienst war er seit 1874 im auswärtigen Dienst und offiziell als Privatsekretär seines Vaters tätig. Sein Eintritt in das Auswärtige Amt bedeutete den Beginn einer Laufbahn in dem – neben dem Kanzleramt – ältesten Reichsamt, das außerdem als die vornehmste der Behörden galt.

    Der diplomatische Dienst hieß für Herbert, auch beruflich in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Herbert von Bismarck erwies sich als gewandt in diesem Arbeitsfeld und stieg rasch auf, war seit 1880 Legationsrat, ging 1881 als Botschaftsrat nach London, wechselte 1884 in dieser Funktion nach St. Petersburg und im selben Jahr noch nach Den Haag. 1885 wurde er Unterstaatssekretär, 1886 dann Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und 1888 preußischer Staatminister. Von 1881 bis 1889 saß er außerdem für die Deutsche Reichspartei und seit 1893 als fraktionsloses Mitglied im Reichstag.

    Die berufliche Nähe zum Vater bedeutete für Herbert von Bismarck also von Beginn an auch die Option auf eine große, aussichtsreiche und interessante Karriere. Eine passende Ehefrau für ihn zu finden, war angesichts dessen eine ausgesprochen sensible Angelegenheit. Seine frühe Liebe zur verheirateten Fürstin Elisabeth zu Carolath-Beuthen, die sich für ihn scheiden verließ und viel älter war als er, mündete daher nicht in eine Ehe. Otto von Bismarck verhinderte diese mit allen Mitteln, auch weil das familiäre Milieu, dem sie entstammte, ihm nicht behagte. Noch einem zweiten Anlauf mit einer ebenfalls geschiedenen Adeligen, desgleichen nicht karriereförderlich, stellte er sich schroff entgegen.

    Das Gefühl, seine große Liebe Elisabeth zu Carolath-Beuthen verraten zu haben, machte aus Herbert von Bismarck einen ruhelosen, zynischen Menschen mit zerrütteter Gesundheit. Zur grenzenlosen Loyalität gegenüber seinem Vater zählte, dass er mit ihm 1890 den Staatsdienst verließ, gegen den kaiserlichen Wunsch. Erst mit der viel jüngeren Gräfin Marguerite von Hoyos fand er 1892 eine den Eltern genehme Partnerin. Als das jüngste seiner fünf Kinder erst ein Jahr alt war, starb er nach längerer Krankheit. Seine Ehefrau überlebte ihn um 41 Jahre und widmete sich, einer Gralshüterin gleich, dem Vermächtnis ihres Schwiegervaters und Ehemanns.

     Herbert v Bismarck um 18642Herbert von Bismarck, Fotografie von Heinrich Graf, Berlin, um 1864 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

    Wilhelm von Bismarck (1852 – 1901)

    Der in Frankfurt am Main geborene jüngere Sohn Wilhelm, genannt Bill, von Bismarck, legte 1878 sein zweites juristisches Staatsexamen ab. Als Mitglied der Deutschen Reichspartei hatte er von 1878 bis 1881 einen Sitz im Reichstag inne, von 1882 bis 1885 war er Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Vom Assessor in der Reichskanzlei und Mitarbeiter des Statthalters Edwin von Manteuffel im „Reichsland“ Elsass-Lothringen in Straßburg stieg er 1885 zum Landrat des Kreises Hanau auf, wurde 1889 Regierungspräsident von Hannover, schließlich 1895 Oberpräsident von Ostpreußen.

    Vom Naturell her bequem und nahezu ohne Ehrgeiz, wäre er am liebsten Landrat geblieben. Möglicherweise gewann Hanau jedoch auch an Attraktivität, weil die Stadt vergleichsweise weit weg von Friedrichsruh, Varzin und Berlin gelegen war. Weiter weg zu rücken, erreichte Bill jedoch auch mit der Wahl seiner Ehefrau. Obgleich aus nächster Nähe stammend, entzog sich Bill durch diese Wahl dem elterlichen Zugriff am weitesten. Er heiratete seine Cousine Sibylle von Arnim-Kröchlendorff, eine Tochter von Otto von Bismarcks Schwester Malwine. Deshalb vermochten die Eltern in diesem Fall nicht zu intervenieren. Aber deren Ehrgeiz, Dominanz und Kühle führten im familiären Zusammensein wiederholt zu Spannungen, aus denen sich eine gewisse Distanz von allein einstellte. Wilhelm von Bismarck war Vater von vier Kindern. Er starb als erstes der Geschwister.

     Wilhelm v Bismarck um 18651Wilhelm „Bill“ von Bismarck, Fotografie von Heinrich Graf, Berlin, um 1865 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)