Grundbesitzer und Unternehmer
Gutsherr
Gutsherr auf Kniephof
Unzufrieden mit seiner beruflichen Situation im preußischen Staatsdienst und aufgrund seines rastlosen Lebenswandels tief verschuldet, geriet Otto von Bismarck Ende der 1830er-Jahre in eine Sinn- und Lebenskrise. Als Ausweg, aber auch als Möglichkeit, die finanzielle Situation zu stabilisieren, erschien ihm die Rückkehr in die gutsherrschaftliche Lebenswelt der adeligen Vorfahren. Gemeinsam mit seinem Bruder bewirtschaftete er die Familiengüter in Pommern. Zuvor leistete er seinen einjährigen Wehrdienst unter anderem in Greifswald ab und besuchte Vorlesungen in der nahe gelegenen Königlichen Staats- und landwirtschaftlichen Akademie Eldena. Das für die Gutsverwaltung notwendige Fachwissen erweiterte er auch danach noch mit Hilfe landwirtschaftlicher Literatur oder durch den Austausch mit anderen Gutsherren. Außerdem hielt er Kontakt zur „Pommerschen Ökonomischen Gesellschaft“, einem Verein für Guts- und Großgrundbesitzer mit dem Zweck, fortschrittliche landwirtschaftliche Kenntnisse zu vermitteln.
Zwar gelang es, die Güter wirtschaftlich zu sanieren und teilweise zu modernisieren. An den vormodernen feudalen Sozialstrukturen ihrer Tagelöhner und Schäfer änderten die Bismarcks in Pommern vorerst jedoch nichts. Im Jahr 1841 teilten die Brüder die Güter auf: Bernhard von Bismarck erhielt Jarchlin, Otto Külz und Kniephof.
In dieser Zeit schloss Otto von Bismarck wichtige Bekanntschaften mit seinen hochkonservativen und politisch einflussreichen Gutsnachbarn, darunter der Agrarpolitiker und Publizist Ernst von Bülow, der pietistisch-protestantische Politiker Adolf von Thadden sowie der Jurist Ernst Ludwig von Gerlach.
Altmärkischer Gutsbesitzer
Nach dem Tod seines Vaters 1845 übernahm Otto von Bismarck das sogenannte Gut I in Schönhausen. Der Landbesitz am östlichen Elbufer gilt als „Stammgut“ der seit 1562 dort ansässigen Familie von Bismarck und wurde im 18. Jahrhundert aufgrund eines Erbvorgangs in zwei Güter geteilt. Während er Besitzer des kleineren, etwa 500 Hektar umfassenden Gutsteils wurde, gehörte Gut II mit fast 1500 Hektar bereits seit 1830 einem liberalen, bürgerlichen Magdeburger Stadtrat.
Als Otto von Bismarck im Februar 1846 an seinen Geburtsort übersiedelte, fand er – anders als in Pommern – eine große, vielfältig gegliederte Dorfgemeinschaft mit etwa 2000 Menschen vor. Er übernahm dort die üblichen gutsherrschaftlichen Aufgaben wie die Polizeigewalt, die niedere Gerichtsbarkeit, die Schulaufsicht und das Patronat über die große romanische Dorfkirche. Im Spätherbst 1846 wurde er außerdem Deichhauptmann für die östliche Elbseite von Jerichow bis Sandau. Besonders fordernd für den neuen Gutsherrn war die Schlichtung bei „Separationsstreitigkeiten“, das heißt der Verteilung von zuvor gemeinschaftlich genutzten Flurflächen unter den Bauern. Bereits in dieser Zeit erwies er sich als vehementer Verteidiger alter ständisch-junkerlicher Vorrechte und Zuständigkeiten. 1849 verpachtete er sein Schönhauser Gut und das zugehörige Herrenhaus, um sich ganz der Politik zu widmen.
Großgrundbesitzer und Unternehmer in Varzin und Friedrichsruh
Vor allem in seinem dauerhaften Bestreben, Grundbesitz zu vermehren, zeigte sich Otto von Bismarcks landadeliges Selbstverständnis. 1867 erwarb er mit einer vom preußischen Landtag bewilligten Dotation von 400.000 Talern den über 3600 Hektar großen Güterkomplex Varzin im Kreis Rummelsburg. 1871 schenkte ihm Kaiser Wilhelm I. für seine Verdienste um die Reichsgründung den Sachsenwald nahe Hamburg mit rund 6200 Hektar Wald- und Wiesenfläche. Den darin gelegenen Ort Friedrichsruh wählte er als Wohnsitz.
Im Jahr 1885 erhielt er zudem das zweite Schönhauser Gut zurück: Anlässlich seines 70. Geburtstages hatte ein Festkomitee den Rückkauf durch die Sammlung eines „Ottopfennigs“ (in Anspielung auf den päpstlichen „Peterspfennig“) organisiert. Durch Ankäufe erweiterte er seine Güter beständig. Im Jahr 1894 gehörten ihm die Fideikommiss-Herrschaft Schwarzenbek, die Allodialgüter Silk, Schönau, Schönningstedt und weitere in Lauenburg und Holstein angekaufte Grundstücke, die Fideikommiss-Güter Varzin, Wussow und Seelitz, die Rittergüter Wendisch-Puddiger, Misdow, Charlottenthal, Alt- und Neu-Chorow, außerdem Reinfeld in Pommern.
Besonders seine Güter Varzin und Friedrichsruh modernisierte er zu kommerziell erfolgreichen Landwirtschaftsbetrieben mit rentablen Fabriken und Forstwirtschaften. In Varzin unterhielt er seit den 1880er-Jahren zwei Destillerien zur Spirituosenproduktion und ein Dampfsägewerk. Nebenher bezog er Pachteinnahmen für seine drei Papiermühlen mit fast 450 Beschäftigten. Den Sachsenwald verwandelte er mithilfe verschiedener Fachleute mit erweitertem Forstwegenetz, Sägewerk und Köhlereien zu einem der fortschrittlichsten Privatwälder Norddeutschlands. Dabei profitierte er vom massiven Holzbedarf der Schwerindustrie in den Rhein- und Ruhrgebieten. Trotz der erfolgreichen Bewirtschaftung galt er hinsichtlich seiner Finanzen als kleinlich und entlohnte seine Mitarbeiter schlecht. Sein Auftreten als bodenständiger, naturverbundener Landadeliger wurde zu einer wichtigen Facette des Bismarckmythos.