Brief an Johanna von Bismarck, Versailles, 21. Januar 1871


    Mein Liebling

    ich habe Dir schrecklich lange nicht geschrieben, verzeih, aber diese Kaisergeburt war eine schwere, und Könige haben in solchen Zeiten ihre wunderlichen Gelüste, wie Frauen bevor sie der Welt hergeben was sie doch nicht behalten können. Ich hatte als Accoucheur [Geburtshelfer] mehrmals das dringende Bedürfniß eine Bombe zu sein und zu platzen daß der ganze Bau in Trümmer gegangen wäre. Nöthige Geschäfte greifen mich wenig an, aber die unnöthigen verbittern.

    Löper wird Dir hoffentlich über mich geschrieben haben, er versprach es mir. Heut kam Struck zu mir; Du hast ihn wohl auf Kundschaft geschickt, er sprach Worte die ich an Dich geschrieben habe. Er war befriedigt, nachdem er sein Hokus pokus mit Tasten Drücken und Horchen an mir ausgeübt. Reiten und Citronensaft meint er, auch Vichy, das geschieht alles, aber die Wege sind so sumpfig vom Regen daß man nur auf der Chaussee reiten kann. Der arme Roon ist noch immer sehr schwach. Schleinitz sucht mir die Unannehmlichkeit mit Kais. und Kön. H. aufzubürden; sie hängt ganz vom Könige und dem Hausminister ab, und mit der Zeit wird es sich machen, bisher ist der schwesterliche Widerstand sehr kräftig. Der Großherzog von Baden ist recht verständig und vermittelnd, aber er ist der Einzige der mir ab und zu geschäftlich beisteht. Carl ist seit lange unwohl, Magen, Hatzfeld war es, Erkältung, Abeken hatte etwas „Schreibkrampf“, Bucher unberufen immer wie Fisch im Wasser. Scherr gelesen, ist doch ein verlogner Geifersack. Carl meldet eben daß seit 9 Uhr 60 unserer Geschütze St. Denis bombardiren. Gestern Abend plötzlich S. M. und Krprinz im Zimmer bei mir als wir von Tisch aufstanden, Trochu wollte Waffenstillstand, is nicht. Herzliche Grüße an die Kinder, Ober- und Unternitze.

    Dein v.B.