Brief an die Ehefrau Johanna von Bismarck, Berlin, 28. April 1851
Mein geliebtes Herz, Mutterchens heller Blick, daß ich lange fortbleiben würde, hat diesmal leider Recht gehabt. Ich gehe mit Rochow nach Frankfurt, und leider so schnell, daß ich vorher nicht mehr nach Reinfeld werde kommen können. Den 7. oder 10. [Mai] werde ich in Frankfurt sein müssen und vorher wahrscheinlich noch nach Dresden gehn und einen Tag in Hanover bleiben. Kann ich es möglich machen, so komme ich wenigstens auf 1 Tag, Dich zu sehn, aber ich habe einen solchen Wust an Acten und Geschäften um mich, daß ich, abgesehn von der Kammer, [an] die Möglichkeit, vor meiner Abreise 4 Tage zu erübrigen, kaum glaube.
Der König hat zuerst vorgeschlagen, mich zu ernennen, und zwar sofort zum wirklichen Bundestagsgesandten; sein Plan hat natürlich viel Widerspruch gefunden und ist endlich dahin modificirt worden, daß Rochow zwar Gesandter in Petersburg bleibt und in 2 Monaten wieder hingehn soll, aber einstweilen und vorläufig den Auftrag nach Frankfurt erhält und ich ihn begleite, mit der Zusicherung, sein Nachfolger zu werden, sobald er nach Petersburg geht. Letztres bleibt aber unter uns.
Ich will nun erst nach Frankfurt und mir die Gelegenheit ansehn, auch hören, wie ich pekuniär bis zu meiner definitiven Anstellung gestellt werde, worüber ich noch kein Wort weiß. Dann werde ich sehn, ob ich im Anfang vielleicht bald wieder fort kann und ob ich überhaupt länger glaube bleiben zu können; denn ich habe zwar zugesagt, kenne aber doch das Terrain noch nicht genug, um schon mit Gewißheit sagen zu können, ob ich dortbleibe oder bald wieder austrete. Sobald das entschieden ist, werden wir doch wohl darauf denken müssen, daß Du Dein nettes Stilleben in Reinfeld ebenfalls mit dem Lärm der bundestäglichen Diplomatie vertauschst.
Ihr habt Euch oft beklagt, daß man aus mir nichts machte von oben her; nun ist dieß über mein Erwarten und Wünschen eine plötzliche Anstellung auf dem augenblicklich wichtigsten Posten unsrer Diplomatie; ich habe es nicht gesucht, der Herr hat es gewollt, muß ich annehmen, und ich kann mich dem nicht entziehn, obschon ich voraussehe, daß es ein unfruchtbares und dornenvolles Amt sein wird, wo ich bei dem besten Bemühn die gute Meinung vieler Leute einbüßen werde. Aber es wäre feig, abzulehnen.
Näheres über unsre Pläne, wie wir zusammenkommen, was aus Deinem Seebad wird und dergl. kann ich heut noch nicht angeben, nur will ich, wenn es irgend möglich ist, mir soviel abmüßigen, daß ich Dich vorher noch sehe. Mir ist ganz weinerlich, wenn ich an dies plötzliche Umwerfen unsrer harmlosen Pläne und an die Ungewißheit des Wiedersehns mit Dir, mein geliebtes Herz, und den babies denke, und ich bete recht innig, daß der barmherzige Gott alles ohne Betrübniß für unser zeitliches Wohl und ohne Schaden für meine Seele einrichte. Gott sei mit Dir, mein Lieb, und führe uns bald wieder zusammen.
In sehr herzlicher Liebe Dein treuster
vB.
Viel Dank für Mutschchens rothen Brief, den ich eben erhalte und später beantworte.