Brief an die Ehefrau Johanna von Bismarck, Brandenburg, 23. Juli 1849
Meine geliebte Nanne!
Soeben erhalte ich Dein Briefchen von Freitag, was mich einigermaßen beruhigt, da ich daraus entnehme, daß unser Kleinchen [Marie] nicht die Bräune, sondern den Stickhusten hat, der zwar schlimm, aber nicht so gefährlich wie jene ist. Du armes Lieb hast Dich gewiß ganz krank gehärmt; es ist recht schön, daß Du so guten Beistand an den Unsrigen und Predigers hast; doch seid Ihr alle etwas ohne Zuversicht und ängstet Euch wohl unter einander, statt Euch zu trösten. Barschall sagt mir eben, daß er diesen Croup-Husten bei allen seinen Kindern gehabt habe, daß er zu seiner Zeit in Posen endemisch gewesen, seine und andre Kinder wiederholentlich im Laufe weniger Tage davon befallen seien, jede Familie habe Brechmittel bestimmter Art schon im Hause vorräthig gehabt und mittelst derselben den Feind jedesmal leicht und ohne bleibende Folgen für das Kind bekämpft. Sei also getrost und vertraue Gott dem Herrn, er zeigt uns die Zuchtruthe wohl, die er für uns in Bereitschaft hat, aber ich habe das feste Vertrauen, er steckt sie wieder hinter den Spiegel. Ich habe als Kind auch an dem Keuchhusten bis zur Lungenentzündung gelitten und bin doch ganz ausgewachsen.
Ich habe die größte Sehnsucht, bei Dir zu sein, mein Engel, und ich denke Tag und Nacht an Dich und Deine Sorge und an das kleine Wesen, unter all dem wüsten Wirrwarr der Wahlen.
Du hast wohl einen Brief aus Schönhausen vom Mittwoch und einen von hier am Freitag geschriebnen erhalten. Die Umtriebe sind hier zu leidenschaftlicher Höhe gestiegen, nicht im Volk, sondern unter den Honoratioren. Die Demokraten sehn hinter den Coulissen zu und reiben sich vergnügt die Hände. Hier in Brandenburg ist die Centrumspartei der unsrigen entschieden überlegen, auf dem Lande hoffentlich umgekehrt, doch läßt sich das nicht übersehn; es ist unglaublich, welche Räubergeschichten die Demokraten den Bauern von mir beibringen, so daß mir einer aus dem Schönhauser Kreise, 3 Meilen von uns, gestern vertraute, wenn mein Name bei ihnen genannt werde, so gehe einem ordentlich ein „Grusel“ von oben runter, als wenn man gleich ein Paar „altpreußische Fuchtelhiebe“ übergezogen erhalten sollte. Wie neulich ein Gegner in einer Versammlung gesagt hat, Bism. Schönh. wollt ihr wählen, ihn, „der in des Landmanns Nachtgebet hart neben an dem Teufel steht“? (Grillparzers Ahnfrau.). Und ich bin doch der sanfteste Mensch von der Welt gegen die gemeinen Leute. Im Ganzen ist mir meine Wahl hier unter diesen Umständen sehr zweifelhaft, und da ich an eine Wahl dort, wenn ich nicht selbst da bin, auch nicht glaube, so können wir, wenn es Gottes Wille ist, den übrigen Sommer ruhig zusammenleben, und ich werde Dich auf den Schreck mit dem Kinde wieder zurecht streicheln, mein Liebling.
Wegen meiner persönlichen Sicherheit sei ganz unbesorgt; von der Cholera hört man hier nur in einem Brief aus Reinfeld. Es ist Hauptregel, von ihr, wenn sie Euch näher kommen sollte, so wenig als möglich zu sprechen; dadurch giebt einer immer der Angst des Andern Nahrung, und die Furcht vor ihr ist die leichteste Brücke, auf der sie in den menschlichen Körper dringt. Solche Fälle wie mit dem Grumbkowschen und in Vessin solltet Ihr doch der N. Pr. Zeitung mittheilen, das macht immer etwas Feuer hinter die Beamten von wegen der Untersuchung. Ich befinde mich wohl, aber bis zum Unerträglichen gelangweilt von diesen erbärmlichen Wahlbemühungen, wo man nie mit politischen Überzeugungen, sondern mit den jämmerlichsten persönlichen Eitelkeiten und Intriguen zu kämpfen hat. Gott schütze Dich und Dein Kind und alle die Unsrigen.
Dein treuster
v.B.
Die Brieftasche und den Gürtel hat Bellin doch geschickt? Adressire nur wieder hierher. Laßt nur nicht die Thüren immer alle auf, da bekommt das Kind oft einen Zugstoß, wenn einer öffnet, ehe Ihr es hindern könnt.