Brief an Gustav Scharlach, Kniephof, 7. April 1834

     

    Du siehst, wie wenig Deine tückische Strafpredigt gefruchtet hat, welche ich vor 4 Wochen erhielt und gar nicht bekommen haben würde, wenn ich überhaupt der Besserung fähig wäre. Ich habe leider Deinen Brief in Berlin gelassen und kann daher in keine specielle Erwiderung eingehen, sondern nur bemerken, daß ich Dir über Correspondenz gar kein Urtheil zugestehe, da Du mich gleich nach unserer Trennung ein halbes Jahr auf den ersten Brief warten ließest, von dessen entschuldigendem Anfange ich Dir das nächste Mal eine Copie schicken werde, wenn Du noch weitere Einreden über die Sache machst.

    Mein Zeugniß ist, wie mir mein Bruder schreibt, endlich angekommen, aber ich fürchte, zu spät, da die Universitätsbehörden schon seit Weihnachten nichts mehr von mir wissen wollten; ich werde daher wol das Portefeuille der Auswärtigen ausschlagen, mich einige Jahre mit der rekrutendressierenden Fuchtelklinge amüsieren, dann ein Weib nehmen, Kinder zeugen, das Land bauen und die Sitten meiner Bauern durch unmäßige Branntweinfabrikation untergraben. Wenn Du also in 10 Jahren einmal in die hiesige Gegend kommen solltest, so biete ich Dir an, adulterium mit einer jungen mulier facilis et formosa zu treiben, so viel Kartoffelschnaps zu trinken, als Du willst und auf der Hetzjagd den Hals zu brechen, so oft es Dir gut scheint. Du wirst hier einen fettgemästeten Landwehroffizier finden, einen Schnurrbart, der schwört und flucht, daß die Erde zittert, einen gerechten Abscheu vor Juden und Franzosen hegt und Hunde und Bediente auf das Brutalste prügelt, wenn er von seiner Frau tyrannisiert worden. Ich werde lederne Hosen tragen, mich zum Wollmarkt in Stettin auslachen lassen, und wenn man mich Herr Baron nennt, werde ich mir gutmütig den Schnurrbart streichen, und um 2 Thaler wohlfeiler verkaufen; zu Königs Geburtstag werde ich mich besaufen, und vivat schreien, übrigens mich häufig anreißen und mein drittes Wort wird sein: Auf Aehre! superbes Pferd! Kurz, ich werde glücklich sein im ländlichen Kreise meiner Familie; car tel est mon plaisir.

    Schade, daß meine Kenntnisse so vermodern, ich war schon bis zur Beendigung der Obligationen gekommen. Du sprachst in Deinem Brief von vielen Neuigkeiten, die mir Jungblut geschrieben haben sollte; ich habe dieses Schreiben gar nicht empfangen; überhaupt außer Deinem letzten Briefe seit Anfang December keine Zeile aus Göttingen gesehen. Ich habe diese Vernachlässigung Peter entgelten lassen; ich bin nicht einmal in seiner Wohnung gewesen, und fürchte, daß diese Kränkung doch den Weg durch das ranzige Speck seiner Gutmütigkeit gefunden hat, welches, wie Du weißt dick genug war, um ihm unbewußt die Bosheit vieler beißender Ratten zu nähren. Er kam in der letzten Zeit seltener, die Zeitung bei mir zu lesen. Es tut mir leid, wenn ich ihn beleidigt habe; aber es wäre selfdestruktion gewesen, seine Gesellschaft noch öfter zu suchen, als er uns damit beglückte. In den letzten Tagen faßte ich mit Motley den männlichen Entschluß den Bombastus Paracelsus in seiner Höhle aufzusuchen. Die Taschen voll Bücher und Karten (Spiel), u. ein Schachspiel unter dem Arm klopften wir an, wurden aber sehr erleichtert durch die Donnerworte: Den Ihr suchet, trägt die Mappe, ist in Luchs ästhetischer Vorlesung. Bei alle dem war es indeß nicht mein Wille, ohne Abschied von ihm zu scheiden, wie leider durch meine löbliche Gewohnheit, alles auf den letzten Tag zu verschieben, geschehen ist. Ich glaube ich werde ihm schreiben; auf diese Weise versöhne ich ihn am Besten mit Vermeidung seiner Unterlippe und seiner langweiligen Conversation.

    Ich hoffe übrigens das nächste Mal einen ordentlichen Brief von Dir zu erhalten, und nicht einen einseitigen (d. h. 1 Seite langen) Wisch, mit irgend einer fabelhaften Entschuldigung am Ende. – Meine Säbelklinge ist nicht mit von Göttingen gekommen; wahrscheinlich hat sie einer der Unsrigen als Andenken behalten; ich mache aus der Not eine Tugend, und schenke sie Jungblut. Grüße den andalusischen Stier vulgo Stadtbullen, den Hamster, und alle Andren und melde dem Kaziken mein aufrichtiges Bedauern. Dem dicken Herrn schreibe ich nächstens, wenn ich wieder trunken bin.

    Dein treuer Freund