Konzept für einen Artikel für die „Hamburger Nachrichten“
18. März 1898
Die Reichsregierung von Seiten der verbündeten Regierungen „für finanzielle Vorlagen festzulegen“, wäre ein grundsätzlicher Eingriff in die Reichsverfassung. So dringend wünschenswert eine Stärkung der Flotte wäre, sollte ihr nach Bismarcks Ansicht nicht die „verfassungsmäßige Freiheit“ der Regierung geopfert werden.
Einem Artikel der „Deutschen Zeitung“ vom 17. dieses Monats über die Beratung der Flottenvorlage entnehmen wir folgende Stellen: „Was die Einzelheiten des nunmehr unabänderlichen § 9 angeht, so haben wir daran noch auszusetzen, daß nur dem Sinne der vorausgegangenen Verhandlungen und der angeführten Ziffer, nicht aber auch dem Wortlaut nach zum Ausdruck kommt, daß sich der ganze Paragraph nur auf die Dauer des Sextennats bezieht; bei der zweiten Regierungserklärung scheint es vollends direkt so, als ob dies Steuerversprechen für das Äternat des Bestehens des Deutschen Reiches, seiner Einzelstaaten und seiner Flotte gelten solle. Der Gedanke wäre so verwerflich und würde solche Verwicklungen zur Folge haben, daß das Reich politisch und finanziell in Verwirrung und Aufruhr geraten könnte. Die Reichsregierung könnte sich zwar schließlich in der Richtung der Ausführungen des Abgeordneten Richter mit der Beschneidung und Zurückstellung anderer Ausgaben und Erleichterungen helfen, eine solche Zentrumsklammer am deutschen Reichsbau wäre aber ebenso unwürdig wie gefährlich, und wir dürften daher wohl erwarten, daß entsprechend dem Verhalten des Zentrums auch die nationalen Parteien sich die Versicherung des Gegenteils hiervon schwarz auf weiß geben lassen werden.“
Wenn die verbündeten Regierungen damit einverstanden sind, wirklich auf die Dauer, auf Äternat oder auch nur auf Sextennat, die Regierung für finanzielle Vorlagen festzulegen, so würde dies ein weit schwererer Eingriff in die Reichsverfassung sein, als davon befürchtet wurde, daß Flottenausgaben für länger als eine Legislaturperiode bestimmt werden könnten. Wir können kaum glauben, daß die verbündeten Regierungen damit einverstanden sein würden, daß sie in bezug auf ihre finanzielle Gesetzgebung auf längeren oder kürzeren Zeitraum oder gar auf immer gebunden werden sollten; es würde eine solche Bestimmung in die Kategorie der Maulkorbgesetze gehören, von denen früher in oppositioneller Richtung öfter die Rede gewesen ist, und wir würden es schwer beklagen, wenn die Regierungen sich auf diese Lahmlegung einließen; es würde später unsere Finanzpolitik unfrei und beschränkt sein. Wer hat denn das Recht, die Finanzhoheit der künftigen Regierungen und Reichstage zu binden und zu beschränken?
Wenn das Zentrum diese Absicht hat, so ist das nach seiner ganzen Tendenz dem bestehenden Deutschen Reiche gegenüber nicht zu verwundern. Aber daß die verbündeten Regierungen sich auf diese Weise für eine solche Bindung einfangen lassen, bezweifeln wir bisher. Es läge darin eine partielle Abdikation der Rechte, welche die Verfassung und die Bundesverträge den Regierungen zuerkannt haben und ein Präjudiz, für die Nachfolge in der Gesetzgebung sowohl auf der Regierungsseite wie auf der parlamentarischen. Und so dringend wir die Stärkung unserer Flotte wünschen, so glauben wir doch, daß sie durch ein solches Opfer an unserer verfassungsmäßigen Freiheit der Bewegung teuer erkauft sein würde. Für die Politik des Zentrums liegt in diesen steuerlichen Prohibitionen ein Hilfsmittel für die Wahlen, daneben aber eine Lähmung der Reichspolitik, wie sie überhaupt den letzten Zielen der Zentrumspolitik entspricht.