Ansprache an die Hamburger Bürger, Friedrichsruh

    10. Mai 1897

     

    Der Besuch an diesem Tag erfreue ihn, so Bismarck, denn dieser erinnere ihn an den Jahrestag des Frankfurter Friedens am Ende des Deutsch-Französischen Krieges und damit an seine angenehmsten politischen Erfahrungen: die Friedensschlüsse. Bismarck lobt die „ruhige und volksfreundliche Energie“ seiner Nachbarstadt Hamburg.

    Meine Herrn, es hat mir herzlich leid gethan, daß ich Sie am 1. April nicht empfangen konnte und die Ehre Ihres Besuchs habe ablehnen müssen. Ich danke Ihnen, daß Sie sich dadurch nicht haben abschrecken lassen, jetzt doch noch hierher zu kommen. Auch für die Wahl des heutigen Tages danke ich Ihnen. Von allen Erinnerungen, die mich mit meiner Vergangenheit verknüpfen, sind die Friedensschlüsse die angenehmsten. Ich begehe in diesen Tagen ja manche Gedächtnißfeier meines öffentlichen Lebens; die älteste ist die meines Eintritts in die parlamentarische Politik – vor fünfzig Jahren ziemlich genau – in den Vereinigten Landtag von 1847. In dieser langen Zeit habe ich viel Liebe und viel Haß erfahren, aber es ist ein Vortheil des Altwerdens, daß man gegen Haß, Beleidigungen und Verleumdungen gleichgiltig wird, während die Empfänglichkeit für Liebe und Wohlwollen wächst. Dieser Beweise der Liebe meiner Landsleute habe ich hier an dieser Stelle manche erhalten aus dem Deutschen Reiche, von auswärts, von überall her, und es ist das der Eindruck, den ich aus diesem Leben mitnehmen werde, wenn ich es verlasse. Ganz besonders werthvoll ist mir aber jederzeit das Wohlwollen meiner großen Nachbarstadt Hamburg gewesen. Es ist das ein gegenseitiges Wohlwollen. Ich habe für die Stadt und ihre Obrigkeit, für deren ruhige und volksfreundliche Energie allzeit Liebe und Anerkennung gehabt. Das Wohlwollen für meine Person ist mir um so werthvoller, als ich hier Ihr Nachbar bin und für Sie in ein schärferes Licht gerückt bin. Ich wohne seit sieben Jahren hier in Ihrer Nähe, und Sie haben in den sieben Jahren Zeit genug gehabt, meine Vergangenheit zu prüfen und zu sichten. Habe ich bestanden vor meinen Nachbarn,

    (Ja! Ja!)

    so bin ich erfreut und bin dafür dankbar und bitte Sie, daß Sie mir helfen, meinem Danke Ausdruck zu geben, indem Sie mit mir in ein Hoch einstimmen auf die Freie Stadt Hamburg und ihre Obrigkeit.

    Sie leben hoch!