Konzept Bismarcks für einen Artikel für die „Hamburger Nachrichten“
28. Dezember 1890
Die Redaktion der „Hamburger Nachrichten“ befinde sich nicht in Friedrichsruh. Aber: Seine „geschichtliche Stellung“ würde Bismarck eher gefährden, wenn er seine Jahrzehnte lang öffentlich vertretenen Ansichten nun stillschweigend aufgebe. Als Reichskanzler sei er stets gegen eine Verquickung von Wirtschaftlichem und Politischem eingetreten.
Wenn wir von den beiden vorstehenden Artikeln die Stilprobe der Vossischen als die originellere auch mit größerem Vergnügen gelesen haben, so müssen wir dem Blatte doch in Erinnerung geben, was wir bereits vor einigen Monaten und seither mehrmals betont haben, daß unsre Redaction sich nicht in Friedrichsruh befindet. Wir verbitten es uns, in unseren rein sachlichen Erörterungen nach Motiven persönlicher Natur zu spüren und erklären es für eine Fälschung der Thatsachen, wenn dies fernerhin geschehen sollte. Daß wir glauben, mit den Ansichten des Fürsten Bismarck oft in bessrer Uebereinstimmung zu sein, als die genannten beiden Blätter, verhehlen wir nicht. Den wahren Grund dieser Erscheinung dürfte man darin finden, daß wir weniger von der Geschichte der letzten Jahrzehnte vergessen haben als manche unserer Collegen.
Die Nat[ional]-Z[ei]t[un]g sagt, eine etwaige Theilnahme des Fürsten Bismarck an den laufenden politischen Fragen würde von unausbleiblicher - betrüblicher - Rückwirkung auf seine Stellung in der Geschichte sein: gegenüber dieser einfältigen Bemerkung eine würdige Fortsetzung der aus dem letzten Sommer bekannten Methode, dem Fürsten den Mund zu verbieten, daß der frühere Kanzler seine geschichtliche Stellung vielleicht eher gefährden würde, wenn er Ansichten, die er Jahrzehnte hindurch öffentlich vertreten, nunmehr stillschweigend auf geben und wenn er, wie Eugen Richter geschmackvoll sagt, den Sprung über den Stock ebenfalls machen würde.
So ist unsere Aeußerung über die deutsch-österreichischen Zollvereinsbestrebungen vielfach als etwas ganz Neues aufgenommen worden. Einer Verquickung der Politik mit wirthschaftlichen Fragen ist der frühere Kanzler stets abgeneigt gewesen: Wir erinnern an die früheren Reden des Fürsten, in denen das politische und das wirthschaftliche Verhältniß zu Rußland zur Sprache kam und in denen gezeigt wurde, wie ein Zusammengehn in der äußeren Politik einen völligen Gegensatz in wirthschaftlichen Fragen sehr wohl ertrage.