Rede im Reichstag, Berlin

    2. April 1881

     

    Bismarck hat von Anfang an als Gegenstück zur staatlichen Repressionspolitik gegenüber sozialistischen Bestrebungen eine positive staatliche Sozialpolitik ins Auge gefasst. Wer daher jetzt die staatlich gelenkte Sozialpolitik mit den „römischen Kornverteilungen an den süßen Pöbel“ vergleiche, sei zynisch.

    Ich will, bevor ich auf die Sache eingehe, kurz auf einige der letzten Bemerkungen des Herrn Vorredners (Eugen Richters) antworten, weil ich die bei ihrem geringeren Schwergewicht sonst vielleicht vergessen möchte. Er hat damit geschlossen, daß mein Prestige im Schwinden wäre. Ja, wenn er recht hätte, möchte ich sagen: Gott sei Dank! Denn Prestige ist etwas furchtbar Lästiges, etwas, an dem man schwer zu tragen hat und das man leicht satt wird. Mir ist es vollkommen gleichgültig. Ich habe, wie ich sehr viel jünger war, ungefähr im Alter des Herrn Vorredners, als vielleicht noch mehr Ehrgeiz in mir steckte, jahrelang ohne jedes Prestige - im Gegenteil als Gegenstand der Abneigung, wenn nicht des Hasses der Mehrheit meiner Mitbürger mich wohler, zufriedener und gesünder befunden als in den Zeiten, wo ich am populärsten gewesen bin. Das alles hat für mich keine Bedeutung; ich tue meine Pflicht und warte ab, was daraus folgt.

    Der Herr Vorredner hat das hauptsächlich damit begründet, daß die Arbeiter den Beistand ablehnen, den ihnen die Reichsregierung zu bringen sucht. Darüber kann der Herr Vorredner noch gar keine Nachricht haben; was die Masse der Arbeiter denkt, das weiß der Herr Vorredner gar nicht; er weiß, was die eloquenten Streber, die an der Spitze der Arbeiterbewegungen stehen, was die gewerbsmäßigen Publizisten, die die Arbeiter als ihr Gefolge brauchen und die unzufriedenen Arbeiter als Gefolge brauchen – was die darüber denken, darüber wird der Herr Vorredner ganz gewiß genau unterrichtet sein. Aber was der Arbeiter im allgemeinen denkt, das wollen wir abwarten. Ich weiß nicht, ob diese Frage in ihrer Bedeutung überhaupt schon bis zu ihrer Erwägung außerhalb der gelehrten Arbeiterklubs, außerhalb der leitenden Streber und Redner vollständig durchgedrungen ist. Wir werden ja bei den nächsten Wahlen die erste Probe davon haben, ob der Arbeiter sich dann, geschweige jetzt, ein volles Urteil darüber schon gebildet hat.

    Das Feld der Gesetzgebung, welches mit diesem Gesetz betreten wird und von dem der Herr Vorredner ganz mit Recht urteilt, daß es noch eine sehr weite Perspektive hat, die vielleicht auch gemäßigte Sozialdemokraten milder in ihrem Urteil über die Regierung stimmen kann – dieses Feld, welches hiermit betreten wird, berührt eine Frage, die wahrscheinlich von der Tagesordnung so bald nicht abkommen wird. Seit fünfzig Jahren sprechen wir von einer sozialen Frage. Seit dem Sozialistengesetz ist immer an mich die Mahnung herangetreten von amtlicher, hochstehender Seite und aus dem Volke: Es sei damals versprochen, es müsse auch positiv etwas geschehen, um die Ursachen des Sozialismus, insoweit ihnen eine Berechtigung beiwohnt, zu beseitigen; die Mahnung ist bis zu diesem Augenblick an mich toto die herangetreten, und ich glaube nicht, daß mit der sozialen Frage, die seit fünfzig Jahren vor uns schwebt, unsere Söhne und Enkel vollständig ins reine kommen werden. Keine politische Frage kommt überhaupt zu einem vollständigen mathematischen Abschluß, so daß man Bilanzen nach den Büchern ziehen kann; sie stehen auf, haben ihre Zeiten und verschwinden schließlich unter anderen Fragen der Geschichte; das ist der Weg einer organischen Entwicklung. Ich halte es für meinen Beruf, diese Fragen ohne Parteileidenschaft, ohne Aufregung – ich bedaure, daß die Parteifragen so hineinspielen – in Angriff zu nehmen, weil ich nicht weiß, wer sie mit Erfolg in Angriff nehmen soll, wenn es die Reichsregierung nicht tut. Der Herr Vorredner hat, was ich nur beiläufig erwähnen will, weil es vor einigen Tagen auch in einer anderen Rede vorkam, angespielt auf einen angeblich lebhaften Telegrammwechsel zwischen „gewissen Kreisen und einer hochstehenden Person“, unter welcher Bezeichnung ich mich in diesem Falle verstehen muß. Meine Herren, es ist dies eine sehr einfache Sache; ich bekomme Tausende von Telegrammen – ich bin ein höflicher Mann und würde sogar wahrscheinlich auf ein Telegramm von Herrn Richter antworten,

    (Heiterkeit)

    wenn er mich mit einem freundlichen Telegramm beehren wollte; ich kann auf ein freundliches Telegramm zur Begrüßung nur freundlich antworten und keine polizeiliche Recherche darüber anstellen, welcher politischen Richtung diese Absender etwa sind. Ich bin auch nicht so ängstlich in meinen Anschauungen, daß ich besondere Katechisationen über die politische Partei der Absender anstellte. Macht es jemand Vergnügen, mich als Mitglied der antisemitischen Verbindungen darzustellen, so gönne ich ihm das. Ich habe mich, wie es mir meine amtliche Stellung gebietet, von allen diesen Bewegungen, die mir nicht erwünscht sind, ferngehalten; ich möchte nur wünschen, daß auch die übrigen Herren und namentlich diejenigen, welche die Regierung und mich in Person mit ihrem Wohlwollen beehren, sich von Aufhetzungen der Klassen gegeneinander, von Wendungen der Rede, die den Klassenhaß schüren, mehr als bisher entfernt halten möchten. Wenn wir neulich von dem Herrn Abg. Lasker die Bezeichnung hörten, die wirtschaftliche Politik, welche die Regierung treibe, sei eine „aristokratische“ Politik, und damit alles, was zur Aristokratie gehört, als des Eigennutzes verdächtig, dem armen Manne, auf dessen Kosten sie angeblich lebten, denunziert wird - wie sollen nicht, wenn solche Äußerungen auf antisemitischen Boden fallen, dort die richtigen Repressalien für ein solches Wort gefunden werden, so daß man die Politik, die uns entgegensteht, mit einem anderen Epitheton, was ich gar nicht aussprechen will, was aber jeder selbst finden wird, bezeichnete? Wenn nachher eine Zeitung wie die „Tribüne“, von der gesagt wird, daß sie Eigentum des Herrn Bamberger sei, diesen Ausdruck des Herrn Lasker noch durch ihr Sprachrohr weitergibt und weiterverfolgt, daß dies die richtige Bezeichnung, daß dies eine Kolumbusentdeckung sei, dieses Wort gefunden zu haben, daß Fürsorge für den armen Mann und Aristokratie nicht in derselben Gedankenordnung nebeneinander stehen können, ja, dann denken Sie sich das umgekehrt im Munde des Antisemiten, was für ein Element der statt Aristokraten setzen wird, ob er ganz dasselbe setzen wird, in alle den Wendungen, mit welchen das Organ des Herrn Bamberger der Aristokratie egoistische Ungerechtigkeiten unterschiebt.

    (Bravo! rechts.)

    Der Herr Abg. Richter hat auf die Verantwortlichkeit des Staates für das, was er tut, auf dem Gebiet, welches er heute betritt, aufmerksam gemacht. Nun, meine Herren, ich habe das Gefühl, daß der Staat auch für seine Unterlassungen verantwortlich werden kann. Ich bin nicht der Meinung, daß das „laisser faire, laisser aller“ (machen lassen, laufen lassen), „das reine Manchestertum in der Politik“, „Jeder sehe, wie er’s treibe, jeder sehe, wo er bleibe“, „Wer nicht stark genug ist zu stehen, wird niedergerannt und zu Boden getreten“, „Wer da hat, dem wird gegeben, wer nicht hat, dem wird genommen“ – daß das im Staat, namentlich in dem monarchischen, landesväterlich regierten Staat Anwendung finden könne, im Gegenteil, ich glaube, daß diejenigen, die auf diese Weise die Einwirkung des Staates zum Schutz der Schwächeren perhorreszieren, ihrerseits sich dem Verdacht aussetzen, daß sie die Stärke, die ihnen, sei es kapitalistisch, sei es rhetorisch, sei es sonstwie, beiwohnt, zum Gewinn eines Anhangs, zur Unterdrückung der anderen, zur Anbahnung einer Parteiherrschaft ausbeuten wollen und verdrießlich werden, sobald ihnen dieses Beginnen durch irgendeinen Einfluß der Regierung gestört wird.

    Dem Herrn Abgeordneten reicht die Konsequenz dieser Gesetzgebung nicht weit genug. Ja, wenn er nur Geduld haben will, so werden wir seinen Erwartungen und seinen Wünschen in dieser Beziehung vielleicht später entsprechen können – nur nicht zu schnell und nur nicht alles auf einmal! Solche Gesetze entstehen ja nicht auf der Basis einer theoretischen Willkür, die darüber grübelt, was wäre jetzt wohl für ein Gesetz zu machen, sondern sie haben ihre Genesis, ihre Vorgeschichte, aus der sie entstehen. Daß wir bis heute nur mit einem Unfallversicherungsgesetz kommen, hat seinen Grund darin, daß gerade diese Seite der Fürsorge für den Armen und Schwachen schon früher besonders lebhaft betrieben ist, in Zeiten, wo ich diesen Dingen überhaupt noch nicht näher getreten bin. Ich habe Aufforderungen, Andeutungen, Anfänge zu diesem Gesetz schon vorgefunden, es war das Gesetz, was nach Lage der Akten am meisten urgierte und am meisten dringend erschien, und wie ich ihm zuerst näher getreten bin, habe auch ich anfangs das Gefühl gehabt, daß das Gesetz seiner Theorie nach nicht umfassend genug sei, mir ist die Versuchung nahe getreten, in dem ersten Paragraphen, in dem, glaube ich, der Satz vorkommt: „Alle Arbeiter, die“ und „müssen so und so entschädigt werden“ – anstatt dessen zu sagen: „Jeder Deutsche“. Wenn man diesem Gedanken, der etwas Ideales hat, näher tritt, wenn man namentlich auch die selbständigen Arbeiter, die in niemandes Aufträge verunglücken, umfassen will, dann hat die Sache auf dem Wege der Versicherung ihre noch größeren Schwierigkeiten, und das erste, was uns da beschäftigt hat, und sehr viel ernster beschäftigt als irgendeine zweistündige Rede irgendeines Abgeordneten tun kann, das war die Frage: Wie weit läßt sich das Gesetz ausdehnen, ohne daß wir in den Beginn dieser Gesetzgebung gleich im Anfang eine nachteilige Lage, einen zu weitgehenden Griff, also einen Mißgriff bringen? Mir lag als Landwirt wohl die Frage sehr nahe: Läßt es sich beispielsweise auf die Landwirtschaft, der bei weitem die größte Anzahl der Arbeiter, wenigstens in den östlichen Provinzen, angehören, ausdehnen? Ich will die Hoffnung, daß dies möglich sei, nicht aufgeben, aber doch über die Schwierigkeiten, die uns für den ersten Augenblick abgehalten haben, einige Worte sagen. Daß die landwirtschaftlichen Gewerbe, soweit sie sich der Maschinen- und elementaren Kräfte bedienen, nicht ausgeschlossen sind, versteht sich von selbst. Nun ist aber auch die übrige größere Masse der landwirtschaftlichen Bevölkerung vielfach in Berührung mit Maschinen, die nicht von elementaren Kräften, sondern von Pferden, mitunter auch von Menschenhänden geleitet werden, und diese Berührung ist vielfach eine lebens- und gesundheitsgefährliche; es ist aber außerordentlich schwer, den Prozentsatz dieser Bevölkerung, das Beitragsverhältnis, welches daraus hervorgeht, zu fixieren. Der Herr Abgeordnete hatte ja seinerseits schon fertige Erfahrung, wieviel in jedem Zweige der menschlichen Beschäftigung der Prozentsatz beträgt, und er hat ihn mit großer Sicherheit angeführt; ich würde ihm dankbar sein, wenn er diesen Schatz und die Quelle, aus der er ihn gezogen hat, uns mitteilen wollte. Wir haben versucht, uns zu helfen, die Vorarbeiten waren sorgfältig nach Daten - nota bene nach sicheren, nicht nach beliebigen statistischen, auf Konjekturen begründeten Ziffern, sondern sicher begründeten Ziffern ausgesucht, und wenn wir die gefunden hätten, die der Herr Abgeordnete ja mit seinem schärferen Blick sofort entdeckt zu haben scheint, wenn sie uns zugänglich gewesen wären und wenn wir sie für richtig gehalten hätten, würden wir in dieser Vorlage weiter gegangen sein.

    Wenn ich sage, ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß die Landwirtschaft auch schließlich hineingezogen wird, so schwebt mir dabei eine Organisation vor, die so rasch in einer Session nicht hergestellt werden kann, mit der das Kind, wenn es überhaupt zur Welt kommt, überhaupt nicht geboren werden kann, sondern in die muß es erst allmählich hineinwachsen, nämlich eine Organisation, nach welcher die Zweige, die ihre Arbeiter versichert haben, in sich korporative Genossenschaften bilden, welche ihren wirklichen Bedarf an Entschädigungen durch Prämien in sich aufbringen und welche zugleich die genügende Kontrolle über ihre Mitglieder dahin ausüben, daß die Einrichtungen überall so sind, daß der Genossenschaft mit denselben wenig Lasten erwachsen, mit andern Worten, daß man das Interesse der mitzahlenden Mitgenossen zum Wächter der Zweckmäßigkeit der Einrichtungen für Verhinderung der Unfälle macht Gelingt es, im Wege der Erfahrung dahin zu kommen, dann wird man auch für die nicht mit elementaren Kräften wirtschaftende Landwirtschaft wahrscheinlich den richtigen Prozentsatz im Wege der Erfahrung finden. Der Mangel an Erfahrungen auf diesem Gebiete hat uns auch bestimmt, in der Frage, wie die Beitragspflicht verteilt werden soll, vorderhand sehr vorsichtig zu sein, und ich muß sagen, ich würde meinerseits nicht den Mut haben, den Entwurf weiter zu verfolgen, wenn die Ausgaben, die er als Gesetz mit sich bringt, ausschließlich zu Lasten der Industrie geschrieben werden sollen.

    Wenn die Staatshilfe, sei es in Form der Landarmenverbände, sei es in Form der Provinz, sei es in Form des Staats, vollständig fortbleibt, dann werde ich nicht den Mut haben, für die Folgen dieses Gesetzes der Industrie gegenüber einzustehen. Es ist möglich, und wir werden das vielleicht in wenig Jahren der Erfahrung nach beurteilen, und wir können ja den Staatszuschuß unter Umständen zunächst auf drei Jahre limitieren, oder wie man das will, aber ohne jedes schon gemachte Experiment, ohne jede praktische Ermittlung dessen, was uns da bevorsteht, habe ich nicht den Mut, die Industrie mit den vollen Kosten dieser staatlichen Einrichtungen zu belasten, sie in höherem Maße zu belasten wie bisher, um ihr dasjenige aufzuerlegen, was die Lokalarmenverbände bisher an Fürsorge für den verunglückten Fabrikarbeiter zu tragen gehabt haben und was künftig in einem höheren, vollkommeneren und würdigeren Maß durch die Versicherer getragen werden soll in Gemeinschaft mit dem Staat. Es handelt sich hier nicht um eine Schöpfung ganz ausschließlich neuer Lasten, sondern um eine Übertragung von Lasten aus den Armen verbänden auf staatliche Leistungen. Daß die Last des Gebers oder der Vorteil, den der Arbeiter überhaupt zu empfangen hat, erhöht wird, das bestreite ich nicht, nur nicht um dieses volle Drittel, welches dem Staate zugemutet wird, sondern nur um den Unterschied zwischen dem, was die bisherige Lokalarmenpflege für verunglückte Arbeiter zu leisten hat, und demjenigen, was ihm in Zukunft zukommen soll, was also rein eine Verbesserung der Lage und des Loses des Arbeiters sein wird. Nur diese Differenz können Sie als Neuleistung dem Staate anrechnen, und es fragt sich da: Ist diese Differenz des damit erstrebten Zieles wert, daß der Arbeiter eine würdigere und reichlichere Verpflegung hat, wenn er verunglückt ist, und nicht vor Gericht erst sein Recht zu erkämpfen, sondern von Hause aus den mäßigen Zuschuß hat, der dabei vom Staate gefordert wird, ist der gleichwertig mit dem Vorteile, welcher erreicht wird? Ich glaube dies im allerhöchsten Maße bejahen zu können. Vor dem Verhungern ist der invalide Arbeiter durch unsere heutige Armengesetzgebung geschützt. Nach dem Landrechte wenigstens soll niemand verhungern; ob es nicht dennoch geschieht, weiß ich nicht. Das genügt aber nicht, um den Mann mit Zufriedenheit auf sein Alter und seine Zukunft blicken zu lassen, und es liegt in diesem Gesetze auch die Tendenz, das Gefühl menschlicher Würde, welches auch der ärmste Deutsche meinem Willen nach behalten soll, wachzuerhalten, daß er nicht rechtlos als reiner Almosenempfänger dasteht, sondern daß er ein peculium (minimaler geschützter Besitz) an sich trägt, über das niemand außer ihm verfügen kann und das ihm auch nicht entfremdet werden kann, über das er als Armer selbständig verfügen kann und das ihm manche Tür leichter öffnet, die ihm sonst verschlossen wird, und ihm in dem Hause, in dem er Aufnahme gefunden hat, eine bessere Behandlung sichert, wenn er den Zuschuß, den er mit hineinbringt, aus dem Hause auch wieder entfernen kann. Wer den Armenverhältnissen in großen Städten selbst prüfend näher getreten ist, wer auf dem Lande namentlich den Gemeindearmen nachgespürt hat und selbst in den bestverpflegten, guten Gemeinden hat beobachten können, wie ein Armer, namentlich wenn er körperlich schwach und verkrüppelt ist, unter Umständen behandelt wird im Hause von Stiefmüttern, von Verwandten irgendeiner Art, von sehr nahen Verwandten mitunter, der muß eingestehen, daß jeder gesunde Arbeiter, der dies mitansieht, sich sagt: Es ist doch fürchterlich, daß ein Mensch auf diese Weise durch die Behandlung in dem Hause, was er früher bewohnte, herunterkommt, wo der Hund seines Nachfolgers es nicht schlimmer hat. Das kommt vor! Welche Waffe hat ein schwacher Krüppel dagegen, wenn er in die Ecke gestoßen und hungrig ernährt wird? Er hat gar keine! Hat er aber nur 100 oder 200 Mark für sich, so besinnt sich das Haus schon sehr, bevor es ihn drückt. Wir haben es bei den Kriegsinvaliden sehen können, wenn nur 6 oder 5 Taler monatlich gegeben werden, das ist für einen Armenhaushalt auf dem Lande schon etwas Bares, wo die kleinrechnende Frau sich sehr besinnt, daß sie den Kostgänger, der Geld einbringt, nicht verdrießlich macht und loswird. Also sage ich, wir haben das Bedürfnis, in diesem Gesetze auf eine menschenwürdige Behandlung zunächst dieser Sorte von Armen zu wirken, und ich werde Herrn Richter in den weiteren Konsequenzen im nächsten Jahre – mag dieses Gesetz abgelehnt werden oder nicht – vollständig befriedigen in Bezug auf die Masse und Ausdehnung der staatlichen Fürsorge für eine bessere und würdigere Behandlung der Erwerbslosen.

    Aber zunächst ist dieses Gesetz gewissermaßen eine Probe, die wir machen, und auch eine Sonde, wie tief das Wasser finanziell ist, in das wir Staat und Land vorschlagen hineinzutreten. Man kann gegen diese Dinge nicht in der Weise sich decken, daß man eine geläufige, glatte Rede hält, in der man die Ausbildung des Haftpflichtgesetzes empfiehlt, ohne nur mit einer Silbe anzudeuten, wie man sich diese Ausbildung denkt. Damit kann man diese Sache nicht erledigen, damit spielt man den Strauß, der den Kopf versteckt, um die Gefahr nicht zu sehen. Die Aufgabe der Regierung ist es, den Gefahren, wie sie uns vor einigen Tagen von dieser Stelle hier aus beredtem Munde (durch den preußischen Innenminister Robert von Puttkamer) mit überzeugenden Belegen geschildert wurden, ruhig und furchtlos ins Auge zu sehen, aber auch die Vorwände, die zur Aufregung der Massen benutzt werden, die sie für verbrecherische Lehren erst gelehrig machen, soviel an uns ist, zu beseitigen. Nennen Sie das Sozialismus oder nicht, es ist mir das ziemlich gleichgültig. Wenn Sie es Sozialismus nennen, so liegt natürlich der wunderliche Hintergedanke dabei, die Regierung des Kaisers dieser Vorlage der verbündeten Regierung gegenüber gewissermaßen in die Schußlinie der Kritik zu stellen, die Herr v. Puttkamer uns hier über die Bestrebungen der Sozialisten darlegte, man soll daran glauben, daß von dieser Vorlage bis zu der Mörderbande von Hasselmann und den Brandschriften von Most und bis zu den Umsturzverschwörungen, die uns vom Wydener Kongresse (der Sozialdemokratie im August 1880 in der Schweiz, wo der Aufbau einer Untergrundorganisation beschlossen wurde) enthüllt wurden,

    (Ruf: Oho!)

    daß uns davon nur ein ganz kleiner Raum noch trennt, der allmählich auch überschritten wird. Nun, meine Herren, im Gegenteil, das sind mehr oratorische Ornamente, mit welchen man kämpft, die keinen Hinterhalt haben, man bedient sich dabei der Vielseitigkeit des Wortes „Sozialismus“. Nach dem, wie die Sozialisten es in ihrem Programm getrieben haben, ist das eine Bezeichnung, die mit „verbrecherisch“ in der öffentlichen Meinung beinahe gleichbedeutend ist. Nun, diese Bestrebungen der Regierung, den verunglückten Arbeiter in Zukunft besser und namentlich würdiger zu behan¬deln wie bisher, seinen noch gesunden Genossen nicht das Beispiel eines sozusagen auf dem Kehricht langsam verhungernden Greises zu gewähren - das kann man doch nicht in dem Sinne als sozialistisch bezeichnen, wie diese Mörderbande uns neulich dargestellt worden ist, und das ist ein ziemlich wohlfeiles Spiel mit dem Schatten an der Wand, wenn man „sozialistisch“ darüber ruft.

    Wenn der Herr Abg. Bamberger, der ja an dem Worte „christlich“ keinen Anstoß nahm, für unsere Bestrebungen einen Namen finden wollte, den ich bereitwillig annehme, so ist es der: praktisches Christentum, aber sans phrase (ohne Umschweife), wobei wir die Leute nicht mit Reden und Redensarten bezahlen, sondern wo wir ihnen wirklich etwas gewähren wollen.

    (Bravo! rechts.)

    Aber umsonst ist der Tod! Wenn Sie nicht in die Tasche greifen wollen und in die Staatskasse, dann werden Sie nichts fertigbekommen. Die ganze Sache der Industrie aufzubürden – das weiß ich nicht, ob sie das ertragen kann. Schwerlich geht es bei allen Industrien.

    Bei einigen ginge es allerdings; es sind das diejenigen Industriezweige, bei welchen der Arbeitslohn nur ein minimaler Betrag der Gesamtproduktionskosten ist. Ich nenne als solche Produktionszweige chemische Fabriken oder Mühlen, die in der Lage sind, mit einigen zwanzig Arbeitern bei einem Umsatz von einer oder mehreren Millionen ihr Geschäft zu machen; aber die große Masse der Arbeiter steckt eben nicht in solchen, ich möchte sagen, aristokratischen Betrieben, womit ich aber keinen Klassenhaß erregen will, sondern sie steckt in denen, wo der Arbeitslohn bis zu 80 und 90 Prozent der Kosten beträgt, und ob die dabei bestehen können, weiß ich nicht. Ob man den Beitrag auf die Arbeiter oder auf die Unternehmer legt, das halte ich für ganz gleichgültig. Die Industrie hat ihn in beiden Fällen zu tragen, und was der Arbeiter beiträgt, das ist doch notwendig schließlich zu Lasten des ganzen Geschäfts. Es wird allgemein geklagt, daß der Lohn der Arbeiter im Ganzen keinen Überschuß und keine Ersparnis gestatte. Will man also dem Arbeiter zu dem eben noch ausreichenden Lohn noch eine Last auferlegen, ja, dann muß der Unternehmer diese Mittel zulegen, damit der Arbeiter die Last tragen kann, oder der Arbeiter geht zum anderen Geschäft über.

    Der Herr Vorredner sagte, gerade das sei ein Mangel des Gesetzes, daß der Grundsatz der Freiheit des Arbeiters von Beiträgen nicht vollständig durchgeführt sei. Er tat so, als wenn er gar nicht eingeführt wäre; er gilt allerdings nicht für die Arbeiter, die über 750 Mark Lohn in 300 Arbeitstagen beziehen. Das beruht eben auf der Genesis des Gesetzes, daß es so gekommen ist; es stand ursprünglich im ersten Entwurf, daß ein Drittel der Beiträge von den Ortsarmenbehörden geleistet werden sollte, denen im Falle der Invalidität des Arbeiters seine Ernährung aus dem Gesichtspunkt der vom Staate auferlegten Armenpflege zur Last fallen würde, und es ist kein Grund, diesen Gemeinden, resp. der gesamten Armenpflege, denen bis her die 80 Prozent der vom Haftpflichtgesetz nicht betroffenen Verunglückten zur Last fallen, einfach ein Geschenk damit zu machen, und deshalb wurde als der Gerechtigkeit entsprechend der Satz angenommen, daß der Armenverband, dem im anderen Falle die Verunglückten zur Last fallen würden, ein Drittel tragen solle. Dieses Raisonnement findet aber auf diejenigen, die in ihrem Lohne so hoch stehen, daß sie, wenn sie verunglückten, dem Armenverband schwerlich zur Last fallen würden nach ihrer ganzen Wohlhabenheit, nicht mit derselben Sicherheit Anwendung. Ich bin sehr gern bereit, diese Beschränkung fallen zu lassen. Es ist schon oft davon die Rede gewesen.

    Nachdem die Gesamtheit des Reichstags aber sich bisher gegen einen Staatszuschuß überhaupt zu meinem Bedauern ausgesprochen hat, würde ich damit dem Gesetz auch nicht mehr Stimmen zuführen. Ich erkläre indessen, daß diese Grenze von 750 gegenüber der ganzen Theorie, die dem Gesetz zu Grunde liegt, kein wesentlicher Punkt ist. Das ist ein Billigkeitsgefühl gegen die Armenverbände ursprünglich gewesen, denen man keine höheren Lasten auferlegen wollte, als man ihnen Ersparnisse durch dieses Gesetz ungefähr in genereller Berechnung zuführte. Es stellte sich nachher heraus, daß aus vielen praktischen Beispielen den einzelnen der Begriff des Ortsarmenverbandes ein ganz unanwendbarer war wegen der ungerechten Verteilung, die in unserer Armenpflege, die eigentlich dem Staate zur Last steht, die er aber auf die Gemeinden abgebürdet hat, überhaupt stattfindet. Nach der geographischen Lage sind kleine impotente Gemeinden sehr häufig mit Armenpflege überlastet und große reiche Gemeinden haben darin sehr wenig, und es hätte das eine zu ungleiche Verteilung der Prämienbeiträge gegeben, wenn man bei dem Ortsarmenverbande stehen blieb. In dieser Überzeugung schlug ich vor, statt Ortsarmenverband zu sagen Landarmenverband. So hat der Entwurf ein paar Wochen lang sein Leben gefristet, bis endlich auf Einfluß der verbündeten Staaten und auch des Wirtschaftsrats diese Bezeichnung fallengelassen und statt dessen dem Einzelstaat überlassen bleiben sollte, wie er entweder selbst eintreten wollte als Landarmenverband oder wie er seine Landarmenverbände heran-ziehen wollte. So ist die Grenze von 750 Mark entstanden, daß wir zuletzt auf reine Staatshilfe in dieser Form, die immer noch das Moderamen der Staatsgesetzgebung im Wege der Verteilung auf die Landarmenverbände oder die Kreisarmenverbände ist, hinausgekommen sind; wir werden ja doch einer Revision unserer Armengesetze überhaupt bedürfen; wie man das nachher wenden will, ist gleichgültig.

    Es wundert mich nicht, wenn über einen neuen, so tief in unser Leben eingreifenden und so wenig von der Erfahrung urbar gemachten Gegenstand die Meinungen sehr weit auseinander gehen, und ich bin vollständig darauf gefaßt, daß wir wegen dieser Divergenz der Meinungen in dieser Session einen annehmbaren Gesetzentwurf nicht zustande bringen. Mein Interesse an der ganzen Bearbeitung der Sache wird sehr abgeschwächt, sobald ich erkennen sollte, daß das Prinzip der Unterlassung des Staatszuschusses definitiv zur Annahme käme, daß die Stimmung der Landesgesetzgebung gegen den Staatszuschuß sich ausspräche. Dann würde damit die Sache rein in das Gebiet des freien Verkehrs sozusagen gewiesen werden, man würde es dann den Versicherern der Privatindustrie vielleicht besser überlassen, als daß man eine staatliche Einrichtung ohne Zwang übt. Denn ich würde nicht den Mut haben, den Zwang auszusprechen, wenn der Staat nicht auch gleichzeitig einen Zuschuß anbietet. Würde der Zwang ausgesprochen, so ist es notwendig, daß das Gesetz zugleich ein Versicherungsinstitut beschafft, das wohlfeiler und sicherer ist wie jedes andere. Man kann nicht den Sparpfennig des Armen dem Konkurse aussetzen, man kann auch nicht zugeben, daß ein Abzug von den Beiträgen als Dividende oder zur Verzinsung von Aktien gezahlt würde. Der Herr Abg. Bamberger hat ja gestern seinen Angriff auf das Gesetz wesentlich mit der Klage über den Ruin der Versicherungsgesellschaften begründet – er hat sich stark ausgedrückt: daß die erdrückt, zermalmt werden würden, und hat gesagt, daß diese Versicherungsgesellschaften sich um die Dankbarkeit ihrer Mitbürger bewürben. Ich habe immer geglaubt, sie bewürben sich um das Geld ihrer Mitbürger.

    (Heiterkeit)

    Wenn sie aber auch dafür die Dankbarkeit noch zu Buch bringen können, so ist das eine geschickte Operation. Daß sie aber als edle Seelen sich für die Arbeiterinteressen bei der Einrichtung ihrer Versicherungsgesellschaften auf Aktien zu opfern bereit waren, habe ich nie geglaubt, ich würde mich auch schwer davon überzeugen.

    (Abg. Bebel: Sehr gut!)

    Und für solche Privatversicherungsgesellschaften, die in Konkurs geraten können, auch bei guter Verwaltung, durch Konjunkturen, durch große Unglücksfälle, die genötigt sind, ihre Beiträge so einzurichten, daß noch für den, der sein Kapital dazu hergibt, Dividende übrig bleibt, wenigstens eine gute Verzinsung und auch die Hoffnung auf Dividende, zu solchen Versicherungen können wir nach meinem Rechtsgefühl niemand zwingen, und da möchte ich meinen Beistand dazu versagen. Das Korrelat für den Zwang bildet meines Erachtens auch die Übernahme der Versicherung durch den Staat in der Form des Reiches oder in der Form des Einzelstaats - ohne das kein Zwang! Ich habe auch nicht, wie ich schon erwähnte, den Mut, den Zwang auszuüben, wenn ich nicht etwas dafür zu bieten habe. Dieser Drittelbeitrag des Staates ist ja viel geringer, wie ich schon vorher gesagt habe, als er aussieht, weil dafür den Verbänden, auf die der Staat seine ihm obliegende Armenpflege abgebürdet hat, doch auch sehr wesentliche Leistungen abgenommen werden. Ist dies Kommunismus, wie der Herr Vorredner sagte, nicht Sozialismus, so ist das mir wiederum gleichgültig, ich nenne es immer wieder praktisches Christentum in gesetzlicher Betätigung – aber ist es Kommunismus, dann ist der Kommunismus ja längst in den Gemeinden im höchsten Maß getrieben, ja sogar durch staatlichen Zwang. Der Herr Vorredner sagte, daß auf unsere Weise die unteren Klassen durch indirekte Steuern belastet würden, um für die Armenpflege den Beitrag aufzubringen. Ja, meine Herren, was geschieht denn aber in den großen Städten, in dem nach seiner Meinung vom fortschrittlichen Ringe so glänzend verwalteten Berlin? Da wird der Arme dadurch verpflegt, daß der Verarmende, der morgen sein gleich armer Bruder sein wird, wenn er wegen der Mietssteuer ausgepfändet ist, durch Mietssteuer den Beitrag aufbringen muß, um den schon Armen zu verpflegen. Das ist viel härter, als wenn das aus der Tabak- oder Branntweinsteuer käme.

    Der Herr Vorredner hat gesagt, ich hätte eine Rede gegen die Branntweinsteuer gehalten. Das ist mir wirklich nicht erinnerlich, und ich wäre sehr dankbar, wenn er mir das aus irgendeinem Worte nachwiese. Ich habe immer den Tabak und den Branntwein als die Gegenstände zu stärkerer Belastung genannt, ich habe nur in Zweifel gezogen, ob es nützlich ist, den Branntwein im Fabrikationsstadium zu besteuern, welches manche andere Staaten, wie Frankreich, ganz frei lassen, oder in einem anderen Stadium zu treffen. Der Herr Abgeordnete hat also - gewiß unfreiwillig - einen Irrtum begangen. Indessen, der Irrtum macht sich, indem er später in vielen Blättern, auf die der Herr Abgeordnete Einfluß hat, ohne Widerlegung gedruckt erscheint, immer nicht übel im Eindruck. Auf die Fehler des Haftpflichtgesetzes will ich nicht weiter zurückgehen; sie werden von sachkundigen und mehr beteiligten Herren besprochen werden. Es war dies eines der Motive, die mich neben den Versprechungen, die beim Erlaß des Sozialistengesetzes gegeben worden sind, deren Sie sich alle erinnern werden und an deren Erfüllung ich oft gemahnt worden bin – die unerwartet nachteilige Wirkung der Haftpflichtgesetzgebung war eines der Hauptmomente, indem ich mich aus der Praxis überzeugte, daß die aus der Haftpflicht entstehenden Prozesse einen ganz ungewissen und oft unverhältnismäßigen Ausgang haben, wenn sie gelingen, und einen ebenso unverhältnismäßigen Ausgang in vielen Fällen, wo sie verloren gehen, daß mir von vielen und glaubwürdigen Seiten versichert worden ist, daß, statt daß das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch die Haftpflicht verbessert wurde, an vielen Orten, wo die Prozesse häufig sind, besonders wo Winkeladvokaten, denen an Erregung der Unzufriedenheit in Hinsicht auf die Wahlen liegt, schüren, daß dort die Erbitterung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Gegensätze zu der wohlmeinenden Absicht, welche das Gesetz gehabt hat, nur gesteigert worden ist und daß der Arbeiter durch die Wirkung des Gesetzes sich geschädigt und verkürzt fühlt, weil er auch bei einem gerichtlichen Erkenntnis schwerlich je überzeugt wird, daß er unrecht hat, namentlich wenn er einen Advokaten hat, der ihm das Gegenteil sagt und versichert, wenn es vier oder fünf Instanzen gäbe, er würde seine Sache soweit bringen.

    Deshalb war ich der Ansicht, ein leichter fungierendes System einzuführen, wo von Prozessen nicht die Rede ist und die Frage, ob irgendein Verschulden obliegt, nicht untersucht wird. Für den Betroffenen ist es ja gleichgültig, er bleibt unglücklich, er bleibt verstümmelt, er bleibt erwerbsunfähig, wenn er das geworden ist, und seine Hinterbliebenen bleiben ohne Ernährer, es mag dolose oder culpa lata (betrügerisch oder durch grobe Fahrlässigkeit) oder auf die unschuldigste Weise gekommen sein. Wir haben es daher nicht mit der strafenden und distributiven Gerechtigkeit zu tun, sondern mit dem Schutz eines ohne das Gesetz ziemlich wehrlosen Teils der Bevölkerung gegen die Unbilden des Lebens und gegen die Folgen ihrer Unglücksfälle und gegen die Härte der Situation eines ohne jedes eigene peculium (minimaler geschützter Besitz) der Gemeindeverpflegung verfallenen Ortsarmen.

    Ich gehe auf den Vorwurf des Kommunismus nicht weiter ein; ich möchte nur bitten, daß man sich in Fragen wie diese, wo wir wirklich alle unseren Weg noch nicht sicher vor uns liegen sehen, sondern ihn eben mit Stab und Sonde mühsam erforschen, daß man da doch nicht alles aus dem Gesichtspunkt der Parteitaktik, aus dem Gesichtspunkt der Fraktionstaktik, aus dem Gefühl „Fort mit Bismarck“ und dergleichen betreiben möge. Ich wünsche ja, so schnell wie möglich, an meiner Stelle einen anderen, wenn er nur das fortsetzen wollte, ich würde gern sagen: „Sohn, hier hast Du meinen Speer“, wenn er auch nicht mein eigener Sohn wäre.

    (Heiterkeit)

    Diese unerwünschte Art der Diskussionen hat sich schon neuerlich gezeigt. Da hat man sich um den „armen Mann“ gerissen, wie um die Leiche des Patroklus.

    (Heiterkeit)

    Herr Lasker hat ihn an dem einen Ende gefaßt, ich suchte ihn ihm nach Möglichkeit zu entreißen. Und wohin kommen wir denn mit diesen Unterschiebungen von Motiven und mit dieser Zuhilfenahme des Klassenhasses, der Verstimmung, des Elends und des Leidens? Darin liegt schon eher Sozialismus, getrieben in der Art, wie Herr v. Puttkamer ihn neulich hier brandmarkte.

    Das Almosen ist das erste Stadium christlicher Mildtätigkeit, wie sie zum Beispiel in Frankreich in weiter Verzweigung existieren muß. In Frankreich hat man kein Armenpflichtgesetz, jeder Arme hat dort das Recht zu verhungern, wenn nicht mildtätige Leute ihn davon abhalten.

    Das ist die erste Pflicht, die gesetzliche Hilfe des Armenverbandes ist die zweite. Aber ich möchte gern, daß ein Staat, der - wenn Sie auch die Benennung »christlicher Staat« perhorreszieren - doch in seiner großen Mehrheit aus Christen besteht, die Grundsätze der Religion, zu der wir uns bekennen, namentlich in Bezug auf die Hilfe, die man dem Nächsten leistet, in Bezug auf das Mitgefühl mit dem Schicksal, dem alte, leidende Leute entgegengehen, sich einigermaßen durchdringen läßt.

    (Bravo!)

    Die sehr weitgehenden Auseinandersetzungen, die ich teils heute gehört, teils gestern in dem vielleicht nicht ganz vollständigen Oldenberg’schen Auszug gelesen habe, nötigen mich noch zu einigen Erwiderungen. Der Herr Abg. Richter hat gesagt, die ganze Vorlage wäre eine Subvention für die Großindustrie. Nun, das ist wieder die Frage des Klassenhasses, die neue Nahrung bekommen würde, wenn man dies allgemein glauben könnte. Ich weiß nicht, warum Sie gerade bei der Regierung eine blinde, parteiische Vorliebe für die Großindustrie voraussetzen. Es sind die Großindustriellen ein allerdings meistens vom Glück begünstigter Teil unserer Bevölkerung, das erregt kein Wohlwollen bei anderen; ihre Existenz aber zu schwächen und zu schmälern, wäre doch ein sehr leichtsinniges Experimentieren. Wenn wir die Großindustrie, wie wir sie haben, fallen lassen, wenn wir es dahin kommen ließen, daß sie mit dem Auslande nicht mehr konkurrenzfähig bleibt, wenn wir ihr Lasten auferlegen wollten, von denen nicht bewiesen ist, ob sie dieselben wird tragen können, so würden wir damit vielleicht Beifall bei allen finden, die mit Ärger jeden sehen, der reicher ist wie andere, namentlich wie sie selbst. Aber bringen Sie die Großindustriellen zu Falle, was machen Sie dann mit den Arbeitern? Dann stünden wir wirklich vor der Frage, die der Herr Abg. Richter sorgend anregte, daß wir an die Organisation der Arbeit gehen müßten; denn wir können, wenn ein Etablissement zugrundegeht, das zwanzigtausend und mehr Arbeiter beschäftigt, wenn es zugrundegeht, weil die Großindustriellen stets der öffentlichen Meinung und der Gesetzgebung denun¬ziert werden als gemeinschädlich und als lange nicht genug besteuert, wenn sie dann erlägen – wir könnten doch nicht zwanzigtausend und mehrere hunderttausend Arbeiter verkommen und verhungern lassen. Wir müßten dann zu wirklichem Staatssozialismus greifen und für diese Leute Arbeit finden, wie wir das ja bei jedem Notstände tun. Wenn die Einwendung des Herrn Abg. Richter richtig wäre, daß man sich wie vor einer ansteckenden Krankheit vor der Möglichkeit des Staatssozialismus hüten müsse, wie kommen wir darauf, bei Notständen in einer oder der anderen Provinz Arbeiten zu organisieren, Arbeiten einzurichten, die wir sonst nicht machen würden, wenn die Arbeiter Beschäftigung und Verdienst hätten? Wir veranlassen in solchen Fällen den Bau von Eisenbahnen, deren Rentabilität zweifelhaft ist; wir veranlassen Meliorationen, die wir sonst jedem auf eigene Rechnung überlassen. Ist das Kommunismus, so bin ich in keiner Weise dagegen, aber mit solchen prinzipiellen Stichworten kommt man wirklich nicht vom Fleck. Ich bemerkte schon das Eintreten des Herrn Abg. Bamberger für die Privatversicherungsanstalten; ich bin der Überzeugung, daß wir keine Verpflichtung haben, gegenüber jenem großen wirtschaftlichen Bedürfnis für jene allein und in erster Linie einzutreten. Er hat ferner erwähnt die »vier Wochen«, die außerhalb des Ver¬sicherungswesens fällen. Es ist das, wie erwähnt, geschehen in der Hoffnung, daß die Knappschaften und Genossenschaften ihrerseits das Bedürfnis haben würden, auch etwas zu tun. Man kommt uns immer mit dem Grunde, der Arbeiter hält es wider sein Ehrgefühl, wenn er gar nichts beitrüge. Wir haben diese vier Wochen dazu ungedeckt gelassen. Ich weiß das so genau nicht, aber wenn es anders besser wäre, so bin ich der Meinung, daß dies Gesetz auch diesen Hiatus decken sollte. Darin liegt kein prinzipielles Hindernis.

    Wie erheblich die Lasten sind, die unter Umständen dem „Gemeindekommunismus“ in Gestalt der Armenpflege abgenommen werden und auf den Staatskommunismus in dieser Gestalt übergehen würden, darauf wirft eine vereinzelte Tatsache einen Lichtblick. Es hat mir nicht gelingen wollen, die Zahl der überhaupt in Armenunterstützung sich befindenden Personen im Reich oder in der Monarchie zu ermitteln, noch weniger den Betrag, der dafür verwendet wird, weil auf dem Lande und in sehr vielen anderen Verhältnissen die Privatwohltätigkeit und die gesetzliche Armenpflege so ineinander fließen, daß die Grenze nicht zu ziehen ist, auch nicht Buch darüber geführt wird. Nur von den 170 Städten über 10 000 Einwohnern steht fest, daß dieselben für ihre Armenpflege im Durchschnitt einen Aufwand von 4 Mark pro Kopf machen. Es wechselt dieser Aufwand zwischen 0,63 und 12,84 Mark – also sehr verschieden.

    Am auffallendsten ist das Ergebnis aber da, wo die Mehrzahl der arbeitenden Klassen sich in Knappschaften und ähnlichen Verbänden befinden. Man sollte glauben, daß stark bevölkerte Fabrikorte, wie Oberneunkirchen und Duttweiler, in dieser Berechnung einen außerordentlich starken Appoint haben müßten. Berlin, was nur teilweise ein industrieller Ort ist, teils auch nicht, also gewissermaßen, wenn es richtig und geschickt in seinen Finanzen verwaltet wäre, eine Art von Durchschnittspunkt geben könnte, zahlt weit über den Durchschnitt für seine Armenpflege, ohne daß die Armen - wie jeder, der sich Privatwohltätigkeit und das Aufsuchen der Armen in ihren Wohnungen etwas zur Aufgabe stellt, sich leicht überzeugen kann, was für beklagenswerte Zustände der Armut in Berlin mitunter vorhanden sind - also ohne daß die Armen brillant verpflegt werden; aber dennoch beläuft sich das Armenbudget in Berlin auf 5 200 000 Mark nach den neuesten Angaben, und die Armenkrankenpflege – ich weiß nicht, aus welchen Gründen sie davon geschieden ist – auf zirca 1 900 000 Mark, also zusammen auf über 7 Millionen Mark, also 7 Mark pro Kopf, während der Durchschnitt der großen Städte nur 4 Mark pro Kopf beträgt. 7 Mark pro Kopf würden, wenn man diese Armensteuer in ähnlicher Weise auf das ganze Reich verteilte, die Summe von über 300 Millionen Mark machen, ebenso wie, wenn man die Berliner direkte Belastung von 23 Mark pro Kopf auf das ganze Reich erweitern wollte, man über eine Milliarde Mark direkte Steuern, teils aus der Mietssteuer, teils aus der Einkommensteuer haben würde. Indessen, es leben ja nicht alle im Reich unter dem fortschrittlichen Ring,

    (Heiterkeit)

    namentlich aber an diesen Orten, wo die Tatsache vor¬liegt, daß die meisten der Arbeiter Knappschaften und dergleichen Verbänden angehören; wo sich vorwiegend dichte Fabrikbevölkerung befindet, ist die auffallende Tatsache zu verzeichnen, daß Oberneunkirchen nur 58 Pfennige pro Kopf Armenlast hat, wenig über eine halbe Mark, und Duttweiler 72 Pfennige. Das sind Beispiele, die recht schlagend beweisen, welche Last unter Umständen, wenn man das Knappschaftssystem oder etwas Ähnliches in Anwendung brächte - ich bin weit entfernt, eine so teure Anlage jetzt zu erstreben; aber ich habe auch gesagt, wir werden ein Menschenafter an dieser Gesetzgebung arbeiten -, hier liegt das Ergebnis recht schlagend vor, daß die Gemeindearmenlasten in Duttweiler und Oberneunkirchen, die sonst, wenn sie sich auch nicht über den Durchschnitt, wenn sie sich auch nicht auf die Berliner Höhe erheben würden, doch wohl 5 Mark pro Kopf betragen könnten, daß die unter 1 Mark, beinahe bis auf 1/2 Mark heruntergehen. Welche gewaltige Last in einer Stadt von 10 000 Einwohnern wird mit einem solchen Gesetz dem Armenverbande abgenommen! Warum sollte also nicht für ähnliche Interessen eine Leistung den Armenverbänden angesonnen werden? Nur kann es nicht der Lokalverband sein, es muß ein größerer Armenverband sein, und der größte ist der Staat, und deshalb halte ich unbedingt fest an dieser Staatshilfe und würde, wenn diese den verbündeten Regierungen nicht gewährt wird, auch ruhig und sine ira einer weiteren Verhandlung, einer weiteren Legislaturperiode entgegensehen. Ich betrachte dies als integrierenden Teil des Gesetzes, ohne welchen es nicht mehr denselben Wert für mich haben würde, den ich ihm bisher beilege, und der mich veranlaßt, mich dafür einzusetzen.

    Der Herr Vorredner hat, wie ja auch der Herr Abg. Bamberger, einige scheele Seitenblicke auf den Volkswirtschaftsrat geworfen. Ja, meine Herren, ich finde ja das ganz erklärlich; die Konkurrenz in der Beredsamkeit wird ebenso gescheut wie in der Industrie,

    (Heiterkeit)

    und es sind unter diesen volkswirtschaftlichen Mitgliedern des Wirtschaftsrates nicht nur überragende Sachkenner, sondern sogar sehr gute Redner, die, wenn das Institut besser entwickelt sein wird, vielleicht ebensolange und noch sachkundigere Reden halten werden, als dies hier von den Herren, die sich vorzugsweise als sachkundige Vertreter der Arbeiter ausgeben, geschieht. Mit solcher Geringschätzung von den Männern zu sprechen, die hier auf den Ruf ihres Königs gekommen sind, um Zeugnis von ihrer Meinung abzulegen, halte ich wirklich kaum für höflich, aber auch staatlich nicht nützlich. Aus den meisten Wäldern ruft es so heraus, wie man hineinschreit, und warum will der Herr Abg. Richter sich unnötig noch mehr Feinde machen, als er hat? Er teilt das mit mir, daß die Zahl im Wachsen und schon nicht ganz gering ist; sein Ohr ist nur nicht so geschärft für die Existenz der Gegner wie das meinige, und ich warte da ruhig ab, wer von uns zuletzt das Richtige getroffen haben wird, vielleicht entscheidet sich das in unserem Leben gar nicht. Auch das würde ich mir gefallen lassen.
    Der Herr Abg. Bamberger hat beim Wirtschaftsrat seine Verwunderung darüber ausgesprochen, daß den Vertretern der Seestädte die Frage des Schießpulvers und der Spielkarten überlassen wäre. Ja, meine Herren, die Delegierten der Binnenländer sind außerordentlich viel zahlreicher als die der Seestädte, und wir haben diese Teilung nicht mutwillig getroffen. Sie können doch unmöglich verlangen, daß, wenn wir die Freihandels¬theorien für eine gemeinschädliche Krankheit halten, die ähnlich wie der Coloradokäfer und dergleichen uns heimsucht,

    (Heiterkeit)

    wir nun gerade da, wo wir irgendwie die Wahl haben, den Freihändler als den Vertreter der Interessen des gesamten Landes anrufen. Der Freihändler vertritt im allgemeinen die Interessen des Seehandels, der Kaufmannschaft und einer sehr kleinen Anzahl von Persönlichkeiten. Dem steht das ganze große Binnenland mit stärkerem Gewicht gegenüber, und je mehr sich dieser Völkswirtschaftsrat ausbildet - und ich freue mich, daß er alle Aussicht hat, sich über das Reich auszudehnen –, desto mehr wird die Zweckmäßigkeit und Vernünftigkeit dieser Einrichtung allgemeine Anerkennung finden; das Wohlwollen der Herren Richter und Bamberger glaube ich mir durch die Andeutungen allerdings nicht zu erwerben, das wäre für mich auch ein argumentum e contrario (Argument von der Gegenseite); ich glaube stets, daß das Gegenteil ihrer Meinung für den Staat und für die vaterländischen Interessen, wie ich sie auffasse, nützlich ist. Über den Vorwurf des inländischen Sozialismus äußerte ich mich bereits, der Herr Vorredner geht aber so weit, daß er mich, weil ich die Verantwortung und die intellektuelle Urheberschaft für dieses Gesetz gern über¬nehme, mit Ausländern identifiziert, die in ihrer Art gewiß ausgezeichnet sind, die aber Ausländer sind und mit unseren Interessen nichts zu tun haben, nämlich mit der Kategorie Radaud, Clemenceau, Spuller, Lockroy und anderen. Es soll dies, wie ich glaube, ein komplizierter Vorwurf des Sozialismus und des Kommunismus sein, aber immer noch dieselbe Melodie. Dann kommt auch die „Unerschrockenheit“, welche die Regierung kennzeichnet, was ich für meinen inneren Menschen übersetze mit leichtfertiger Dreistigkeit, mit der die Regierung diese Sachen vorbringt, die der Vorredner aber mit höflichem Wohlwollen Unerschrockenheit nennt Meine Herren, unsere Unerschrockenheit beruht auf dem guten Gewissen, auf der Überzeugung, daß das, was wir bringen, das Ergebnis sorgfältiger pflichtmäßiger Überlegung ist und nicht die mindeste Färbung von Parteipolitik hat, und dadurch sind wir den Angreifern überlegen, weil die Gegner von ihrem Ursprung, von dem Boden der Parteikämpfe, der an ihren Schuhen klebt, sich niemals werden frei machen können.

    Wenn der Herr Vorredner in seinen weiteren Vorwürfen uns mit den Römern vergleicht – seine historischen Exkurse sind nicht bloß nach Frankreich, sondern in die Vergangenheit gegangen –, so liegt der Unterschied zwischen unserer Auflassung, die Herr Lasker immerhin eine aristokratische nennen mag, und der des Herrn Bamberger schon in dessen Ausdrucksweise; er spricht von Theatern, die wir dem „süßen Pöbel“ bauen.

    Nun, ob der Pöbel für den Herrn Vorredner etwas Süßes hat, weiß ich nicht, für uns ist es ein angenehmes Gefühl, für die weniger vom Glück begünstigten Klassen, die der Herr Vorredner mit dem Namen Pöbel bezeichnet, auf dem Wege der Gesetzgebung sorgen zu können, wenn Sie uns die Mittel dazu geben, und sie auf diesem Wege, soweit es möglich ist und an uns liegt, dem verderblichen Einfluß einer ihrer Intelligenz überlegenen Beredsamkeit der eloquenten Streber, die die Massen auszubeuten suchen, zu entreißen. Der Ausdruck Pöbel ist nicht aus unserem Munde gekommen, und wenn der Herr Abgeordnete einerseits von „Pöbel“ und dann von „Couponabschneidern“ spricht - so habe ich auch den Ausdruck nicht gebraucht. „Couponabschneider“ ist mir sprachlich nicht geläufig, ich glaube, ich habe gesagt „Couponschneider“,

    (Heiterkeit)

    indessen, der Begriff bleibt derselbe. Ich halte diese indessen für eine achtbare und vom ministeriellen Standpunkt aus sehr zahlreich wünschenswerte Klasse von Staatsbürgern, weil sie Reichtum mit einer gewissen Schüchternheit verbinden, die sie hindert, an Handlungen teilzunehmen, die mit einem Vorwurf oder mit Gefahren verbunden sind. Ein hoher und dabei friedliebender Steuerzahler ist immer für den ministeriellen Standpunkt der angenehmste Staatsbürger,

    (Heiterkeit)

    nur muß er sich den Lasten, die seine leicht erhobenen Revenuen in Konkurrenz mit den anderen tragen sollten, nicht entziehen wollen, und Sie werden sehen, daß er das schließlich auch nicht tut. Er ist ein ehrlicher Mann, und haben wir erst das finanzministerielle Mißtrauen der alten Zeit - meine heutigen Kollegen teilen es nicht mehr - überwunden, so werden wir sehen, daß nicht jeder¬mann bereit ist, zu seinem finanziellen Vorteil zu lügen, und daß auch der Couponschneider sich selbst richtig einschätzen und besteuern wird.

    Der Herr Abg. Bamberger hat ferner gefragt: Woher nehmen Sie denn die Mittel, die dazu nötig sind?

    Wie ich schon bemerkte, dieses Gesetz erfordert im ganzen wenig neue Ausgaben, die Regierung verlangt nur die Erlaubnis, den Staat an die Stelle der armenpflegenden Gemeinden treten zu lassen, und dann eine kleine, mäßige Zulage für den Erwerbsunfähigen, die aber von dessen Willen absolut abhängig bleibt und ihm anklebt, ohne daß sie von ihm getrennt werden kann, ihm also eine gewisse Unabhängigkeit auch in seiner Stellung als Invalide im Leben läßt; nur ein mäßiger Zuschuß zu dem bisherigen - ich weiß nicht, ist er auf die Hälfte des Drittels, auf ein Sechstel, zu veranschlagen oder geringer, aber das sollte meines Erachtens ein Staat, der sich im Kampf mit diesen infernalen Elementen befindet, die Ihnen dieser Tage hier näher charakterisiert wurden - ein Staat, der seiner großen Mehrzahl nach aus aufrichtigen Bekennern des christlichen Glaubens besteht, der sollte dem Armen, Schwachen und Alten auch in einem noch weiteren Maße, als es hier gefordert ist, in dem Maße, wie ich hoffe, wenn ich es erlebe, im nächsten Jahre von Ihnen fordern zu können, das sollte ein Staat, der praktisches Christentum treiben will, sich nicht versagen und dem armen Manne nicht.

    (Bravo! rechts.)