Rede im Reichstag des Norddeutschen Bundes, Berlin

    11. März 1867

     

    Bismarck wirbt für die Annahme der ganz wesentlich vom ihm entworfenen Verfassung des Norddeutschen Bundes. „Wir wollen den Grad von Freiheitsentwicklung, der mit der Sicherheit des Ganzen nur irgend verträglich ist.“ Eile sei aber geboten. „Setzen wir Deutschland, sozusagen, in den Sattel! Reiten wird es schon können.“

    Wenn ich in diesem Stadium der Diskussion das Wort ergreife, so ist es nicht meine Absicht, Sie nach dem Wunsche des Herrn Vorredners [Groote] durch staatsmännische Kühnheit zu überraschen, sondern im Gegenteil, vor dieser gefährlichen Eigenschaft zu warnen. Es ist auch nicht meine Absicht, und kann sie nicht sein, Ihnen die fehlenden Motive für den Gesamtinhalt der Regierungsvorlage zu entwickeln; – aus demselben Grunde nicht, aus dem wir überhaupt keine Motive vorgelegt haben. Die Arbeit, meine Herren, ist zu umfassend, es wäre ein „Werk“ darüber zu schreiben gewesen, wenn die Arbeit sich einigermaßen auf der Höhe der Aufgabe, mit der wir beschäftigt sind, halten sollte. Hätten wir Motive der Versammlung der Bundeskommissarien vorgelegt, so würden wir – ich weiß nicht wieviel Zeit über deren Diskussion verloren haben; schwerlich nur soviel Zeit, wie dazu gehört hätte, sie auszuarbeiten. Es ist nicht etwa eine Nichtachtung des Eindrucks, den unsere Vorlage macht, daß wir uns enthalten haben, die Motive vorzulegen. Wir hatten buchstäblich nicht die Zeit dazu. Eine Arbeitszeit von vier Wochen für einen Rat, welcher mit der Anfertigung der Motive beauftragt gewesen wäre, wäre kaum zu kurz bemessen.

    Wenn wir uns dann auch unter den verbündeten Regierungen verständigt hätten über den Text, so glaube ich doch nicht, daß wir heute schon hier vereint gewesen wären, wenn wir Ihnen hätten Motive vorlegen sollen. Wir wären auch in die Gefahr gekommen, in diesen Motiven Dinge zu vertreten, die vielleicht gar nicht bestritten werden. Die Motive werden sich aus der allgemeinen und späteren Spezialdiskussion ergeben von seiten derjenigen, die den Verfassungsentwurf unterstützen, oder durch die Erklärungen der Regierungen, die gefordert werden, und die sich an die auftauchenden Zweifel knüpfen werden. Ich mache auf die zwei hervorragenden Reden des Herrn Abgeordneten für Wiesbaden [Braun] und des Herrn Abgeordneten für Osnabrück [Miquel] aufmerksam, die bereits erheblich an Motiven zu diesem Verfassungsentwurf beigetragen haben. Meine Absicht ist ebensowenig, der Spezialdiskussion vorzugreifen, sondern nur wenige allgemeine Gesichtspunkte zu entwickeln, die uns bei der Aufstellung dieser Verfassung geleitet haben.

    Es hat nicht unsere Absicht sein können, ein theoretisches Ideal einer Bundesverfassung herzustellen, in welcher die Einheit Deutschlands einerseits auf ewig verbürgt werde, auf der anderen Seite jeder partikularistischen Regung die freie Bewegung gesichert bleibe. Einen solchen Stein der Weisen, wenn er zu finden ist, zu entdecken, müssen wir der Zukunft überlassen, einer solchen Quadratur des Zirkels um einige Dezimalstellen näher zu rücken, ist nicht die Aufgabe der Gegenwart. Wir haben uns zur Aufgabe gestellt, in Erinnerung und in richtiger Schätzung, glaube ich, diejenigen Widerstandskräfte, an welchen die früheren Versuche in Frankfurt und Erfurt gescheitert sind, diese Widerstandskräfte so wenig, als es irgend mit dem Zweck verträglich war, herauszufordern. Wir haben es für unsere Aufgabe gehalten, ein Minimum derjenigen Konzessionen zu finden, welche die Sonderexistenzen auf deutschem Gebiete der Allgemeinheit machen müssen, wenn diese Allgemeinheit lebensfähig werden soll; wir mögen das Elaborat, das dadurch zustande gekommen ist, mit dem Namen einer Verfassung belegen oder nicht, das tut zur Sache nichts. Wir glauben aber, daß, wenn es hier angenommen wird, für das deutsche Volk die Bahn frei gemacht worden ist, und daß wir das Vertrauen zum Genius unseres eigenen Volkes haben können, daß es auf dieser Bahn den Weg zu finden wissen wird, der zu seinen Zielen führt. (Bravo!)

    Wenn zu diesem Zweck, nach unserer Ansicht wenigstens, das Gegebene hinreicht, so begreife ich vollständig, daß viele Wünsche unbefriedigt bleiben, daß man daneben noch eine Menge anderer Dinge gewünscht und gleich gewünscht hätte. Ich begreife aber nicht, wie man, weil diese Wünsche bisher unerfüllt geblieben sind, das Gebotene ablehnen will und dabei doch behaupten, man wolle überhaupt eine Verfassung, die Deutschland zur Einheit führen könne. Es sind Einwendungen bisher laut geworden und Wünsche geltend gemacht von zwei Seiten; ich möchte sagen, von der unitarischen und von der partikularistischen Seite; von der unitarischen dahin gehend, daß man auch von diesem Verfassungsentwurf wie von dem früheren die Herstellung eines konstitutionellen verantwortlichen Ministeriums erwartet hat. Wer sollte dieses Ministerium ernennen? Einem Konsortium von zweiundzwanzig Regierungen ist diese Aufgabe nicht zuzumuten; es würde sie nicht erfüllen können. Ausschließen können Sie aber einundzwanzig von zweiundzwanzig Regierungen von der Teilnahme an der Exekutive ebensowenig. Es wäre der Anforderung nur dadurch zu genügen gewesen, daß eine einheitliche Spitze mit monarchischem Charakter geschaffen wäre. Dann aber, meine Herren, haben Sie kein Bundesverhältnis mehr, dann haben Sie die Mediatisierung derer, denen diese monarchische Gewalt nicht übertragen wird.

    Diese Mediatisierung ist von unseren Bundesgenossen weder bewilligt, noch von uns erstrebt worden. Es ist hier angedeutet worden, man könne sie mit Gewalt erzwingen, von anderen: sie werde sich zum Teil von selbst ergeben, und letzteres von einer mir nahestehenden Seite [Wagener]. Wir erwarten dieses nicht in dem Maße und glauben nicht, daß deutsche Fürsten in größerer Anzahl bereit sein werden, ihre jetzige Stellung mit der eines englischen Pairs zu vertauschen. Wir haben ihnen diese Zumutung niemals gemacht, und beabsichtigen nicht, sie ihnen zu machen; (sehr gut! hört! hört!) noch weniger aber kann ich als unsere Aufgabe betrachten, etwa im Sinne des Herrn Vorredners [Groote] auf die Gewalt, auf die Übermacht Preußens in diesem Bunde sich zu berufen, um eine Konzession zu erzwingen, die nicht freiwillig entgegengetragen wird. Eine solche Gewalt konnten wir am allerwenigsten gegen Bundesgenossen anwenden, die im Augenblicke der Gefahr treu zu uns gestanden haben, ebensowenig gegen die, mit denen wir soeben einen völkerrechtlichen Frieden, auf ewig, wie wir hoffen – wie man das Wort auf dieser Erde zu gebrauchen pflegt – besiegelt haben. (Bravo!)

    Die Basis dieses Verhältnisses soll nicht die Gewalt sein, weder den Fürsten, noch dem Volke gegenüber. (Bravo!) Die Basis soll das Vertrauen zu der Vertragstreue Preußens sein, (Bravo!) und dieses Vertrauen darf nicht erschüttert werden, so lange man uns die Vertragstreue hält. (Sehr gut! Bravo!)

    Es ist angespielt worden von einem Vorredner [Waldeck] auf die Erklärungen, die im Sinne einer einheitlicheren Reichsgewalt von einigen der Bundesregierungen in den Schlußprotokollen niedergelegt seien. Ich kann nur bedauern, daß diese Erklärungen erst in dem Schlußprotokoll zutage getreten sind; wären sie in der Diskussion gemacht worden, bevor das Schlußprotokoll redigiert wurde, so hätte man wenigstens darüber urteilen können, welche Aufnahme solche Ansichten bei der Mehrzahl der Regierungen gefunden haben würden. Da sie erst nach dem Schlusse der Verhandlungen zutage traten, so kann ich sie nur auffassen als ein totes Glaubensbekenntnis ohne Werke.

    Schwerer als die Einwendungen vom unitarischen Standpunkte, und ernstlicher gemeint, sind meines Erachtens diejenigen vom partikularistischen. Unter Partikularismus denkt man sich sonst eine widerstrebende Dynastie, eine widerstrebende Kaste in irgendeinem Staate, die sich der Herstellung gemeinsamer Einrichtungen aus Sonderinteressen entgegenstellt. Wir haben es heute mit einer neuen Spezies von Partikularismus zu tun, mit dem parlamentarischen Partikularismus. (Heiterkeit.)

    Früher hieß es vom dynastischen Standpunkte aus: „hie Waiblingen, hie Welf“, jetzt heißt es: „hie Landtag, hie Reichstag!“

    Das Recht, das der Preußische Landtag hat, zu unseren Vereinbarungen hier Nein zu sagen, es ist schon vorhin von anderer Seite [Michelis] hervorgehoben, und ich glaube, es wird das niemand ernstlich bestreiten und sich demgegenüber auf die Macht berufen; – dieses Recht hat ein jeder Landtag, so klein oder so groß er sein mag; denn wir wollen nicht in einer gewalttätigen, sondern in einer rechtlichen Gemeinschaft leben. Bis jetzt aber sind die Widersprüche der übrigen Landtage auf dieser Tribüne nicht in einer gleichen Weise angemeldet worden wie die des Preußischen Landtages, und zwar von Seiten, von denen es mich überrascht hat. Der Vertreter einer norddeutschen Republik [Rée, Hamburg] begeistert sich plötzlich für die monarchische Verfassung Preußens; (Heiterkeit) ein katholischer Geistlicher [Michelis] stellt diese selbe Verfassung mit dem Heile seiner Seele an dem Leitfaden eines Bibelspruchs auf dieselbe Höhe, und sprach zu uns, in Ton und Worten die tiefste Erschütterung darüber verratend, daß an dieser Verfassung auch nur ein Artikel geändert werden könnte – auf gesetzmäßigem Wege wohlverstanden. Ich zweifle keinen Augenblick an der aufrichtigen Überzeugung, mit der diese Worte gesprochen wurden; aber überrascht hat es mich, daß er die Wirkung davon abschwächte durch einen scherzhaften Seitenhieb auf meine Person: „ich würde mir auch zu helfen wissen, wenn hier nichts zustande käme“. Meine Herren, ob ich mir in diesem Falle zu helfen wüßte, das will ich hier unerörtert lassen; ich würde mir aber nicht helfen. Ich habe meinem Könige und Lande niemals den Dienst versagt; in einem solchen Falle aber würde ich ihn versagen und würde denjenigen, die das Chaos herbeigeführt haben, auch überlassen, den Weg aus dem Labyrinthe wieder herauszufinden! (Bravo!)

    Wenn von anderer Seite, von Abgeordneten, mit denen ich mir mancher gemeinschaftlichen Ansicht bewußt bin, von Mitgliedern des Preußischen Abgeordnetenhauses [Lasker und Twesten] – von solcher Seite, von der ich glaube, daß sie wirklich das Zustandekommen der Sache will – dennoch hier der Satz aufgestellt worden ist, daß die preußische Verfassung über der Reichsverfassung einstweilen stehe, wenn dasjenige, was hier vereinbart wird zwischen der Gesamtheit der Bundesregierungen, nachdem mit Mühe eine Vereinigung unter diesen erzielt worden, und zwischen den freigewählten Vertretern von dreißig Millionen Deutschen, schon jetzt vor die Assisen des Preußischen Landtages zitiert wurde: meine Herren, da hat mich ein demütigendes Gefühl beschlichen, daß diejenigen, die uns neu zugetreten sind, so rasch die Illusion verlieren, die sie etwa gehabt haben könnten, daß der Mensch wirklich mit seinen größeren Zwecken wächst, und daß der weitere Gesichtskreis, den der größere Staat haben soll, sich auch allen seinen Mitgliedern mitteilt. (Bravo!)

    Die Herren, die so kurzweg hier das Wort aussprechen, daß der Preußische Landtag das Produkt unserer Arbeiten in den und den Fällen verwerfen oder genehmigen werde – ihre Legitimation dazu ist schon vorgestern angezweifelt worden. Aber ich möchte Sie fragen: was würden Sie sagen, wenn heutzutage eine der verbündeten Regierungen schon von Hause aus erklärte: wenn dies und das nicht in der Verfassung steht, so nehme ich sie unter allen Umständen nicht an! Wenn ein Stand oder eine Kaste diese selbe Erklärung abgäbe, wenn ein Mitglied der mecklenburgischen Ritterschaft aufträte und sagte, wenn unsere Rechte nicht geschont werden – und sie wiegen auf der Wagschale der Gerechtigkeit gerade ebenso schwer, wie die des preußischen Landtags – so spielen wir nicht mit! (Sehr gut!)

    Ich erinnere Sie daran, meine Herren, als die Versuche von Frankfurt und von Erfurt mißlangen – der von Erfurt nicht so sehr, wie hier gemeint wurde [Braun], durch das Widerstreben der beteiligten Regierungen, wenn ich auch nicht behaupten kann, daß unsere preußische Regierung damals mit der wünschenswerten Energie ihre Aufgabe vertreten hätte; er scheiterte meines Erachtens daran, daß Hannover und Sachsen einfach auf die österreichische Armee, die hinter Olmütz stand, mehr Vertrauen hatten als auf den Dreikönigsbund (das war wohl das Durchschlagende, wenn es auch eine Menge anderer Ursachen gegeben haben mag) – ich erinnere Sie daran, daß man für uns, die wir damals unter dem Namen der preußischen Junkerpartei uns die Verantwortung für das Nichtzustandekommen von der Öffentlichkeit aufladen lassen mußten, kein Wort finden konnte in der öffentlichen Presse, was stark genug war, um „diesen unwürdigen Mangel an Vaterlandsliebe“ zu brandmarken, der dahin führte, „aus Standesinteressen lieber einen Junkerstaat von der Größe der Mark Brandenburg zu gründen“ – und was dergleichen von Ihnen bereits vergessene Zeitungsartikel waren, die auf uns Schmach und Vorwurf häuften, weil wir das Werk gehindert hätten, das wir zustande zu bringen in der Lage nicht waren. Ich habe, als hier vorgestern dasselbe Recht für den Preußischen Landtag in Anspruch genommen wurde, in der ganzen Versammlung keinen Ausruf des Erstaunens gehört, außer dem, den ich in meinem Inneren unterdrückte. Ich glaube, meine Herren, diejenigen, die dieses Wort aussprachen, unterschätzen denn doch den Ernst der Situation, in der wir uns befinden. Glauben Sie wirklich, daß die großartige Bewegung, die im vorigen Jahre die Völker vom Belt bis an die Meere Siziliens, vom Rhein bis an den Pruth und den Dnjestr zum Kampf führte, zu dem eisernen Würfelspiele, in dem um Königs- und Kaiserkronen gespielt wurde; – daß die Millionen deutscher Krieger, die gegeneinander gekämpft und geblutet haben auf den Schlachtfeldern vom Rhein bis zu den Karpathen, – daß die Tausende und aber Tausende von Gebliebenen und der Seuche Erlegenen, die durch ihren Tod diese nationale Entscheidung besiegelt haben, mit einer Landtagsresolution ad acta geschrieben werden können – (Bravo!) meine Herren, dann stehen Sie wirklich nicht auf der Höhe der Situation!

    Es liegt mir fern, irgendeine Drohung auszusprechen, ich achte die Rechte unseres Landtages ebenso wie ich sie von Hause aus gern geachtet hätte, wenn es mit dem Bestande des preußischen Staates nach meiner Überzeugung verträglich gewesen wäre; aber ich habe die sichere Überzeugung, kein deutscher Landtag wird einen solchen Beschluß fassen, wenn wir uns hier einigen. (Bravo!) Ich möchte die Herren, die sich diese Möglichkeiten denken, wohl sehen, wie sie etwa einem Invaliden von Königgrätz antworten würden, wenn der nach dem Ergebnisse dieser gewaltigen Anstrengung fragt. Sie würden ihm etwa sagen: ja freilich, mit der deutschen Einheit ist es wiederum nichts geworden, die wird sich wohl bei Gelegenheit finden, sie ist ja leicht zu haben, eine Verständigung ist ja alle Tage möglich; aber wir haben das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses, des Preußischen Landtages gerettet, das Recht, jedes Jahr die Existenz der preußischen Armee in Frage zu stellen, (Unruhe links) ein Recht, von dem wir als gute Patrioten niemals Gebrauch machen würden, und sollte je eine Versammlung jemals so weit auf Abwege geraten, die es wirklich wollte, so würden wir den Minister als Landesverräter zur Verantwortung ziehen, welcher sich zur Ausführung hergibt. Aber es ist doch unser Recht; darum haben wir um die Mauern von Preßburg mit dem Kaiser von Österreich gerungen – und damit soll der Invalide sich trösten über den Verlust seiner Glieder, damit die Witwe, die ihren Mann begraben hat?

    Meine Herren, es ist wirklich eine vollständig unmögliche Situation, die Sie sich da machen; ich wende mich gern von diesen phantastischen Unmöglichkeiten in das reale Gebiet zurück zu einigen Einwendungen, die hier gegen den Inhalt der Verfassung gemacht worden sind. Es ist – ich weiß nicht, ob in der Thronrede der Ausdruck stehen geblieben ist – schon gesagt, daß wir das Werk der Verbesserung fähig halten. Ich darf wenigstens hier bezeugen, daß wir für keinen Vorschlag, der wirklich mit der Erleichterung des Zustandekommens und der Verbesserung des Werkes ernstlich gemeint ist, unempfänglich sind. (Bravo!)

    Sie müssen doch die Regierung nicht in Verdacht haben und keine der zweiundzwanzig Bundesregierungen, daß sie sich von der historischen konstitutionellen Entwicklung Deutschlands lossagen wolle, daß sie nun dieses Parlament etwa benutzen wolle, um den Parlamentarismus im Kampf der Parlamente gegeneinander aufzureiben. Was hätten wir denn davon? Ist denn eine Regierung auf die Dauer denkbar, namentlich eine solche, die sich zur Aufgabe gestellt hat, eine Einheit in Feuer oder gar in kaltem Metall, wenn das Feuer erkaltet sein wird, zu schmieden, eine Einigung, die nicht überall in Europa mit Wohlwollen gesehen wird, daß diese Regierung es sich gewissermaßen zur systematischen Aufgabe stellt, die Rechte der Bevölkerung auf die Teilnahme an ihren eigenen Geschäften zu unterdrücken, abzuschaffen, auf ein wildes Reaktionswesen sich einzulassen, sich in Kämpfen mit der eigenen Bevölkerung aufzuhalten – meine Herren, das können Sie von einer Dynastie, wie sie über Preußen regiert, das können Sie von keiner der Dynastien, die augenblicklich in Deutschland regieren, erwarten, daß sie an ein nationales Werk mit dieser Heuchelei – ich kann es nicht anders nennen – herangeht. (Lebhaftes Bravo!)

    Wir wollen den Grad von Freiheitsentwicklung, der mit der Sicherheit des Ganzen nur irgend verträglich ist. Es kann sich nur handeln um die Grenze: wie viel, was ist mit dieser Sicherheit auf die Dauer verträglich? ist ein Übergangsstadium nötig? wie lange muß dies dauern? (Sehr gut! Bravo!)

    Es kann nicht in unserer Absicht liegen, das Militärbudget auch für den Zeitraum, wo es von Ihnen selbst als eisern behandelt werden sollte, und ein solcher Zeitraum ist meines Erachtens unentbehrlich, Ihrer Kenntnis zu entziehen. Es ist hier gesagt worden, als wenn das Militärbudget mit einer gewissen Heimlichkeit nachher behandelt werden sollte. Soweit ich mir überhaupt diesen Gedanken schon klar gedacht habe, so schwebt er mir in der Art vor, daß wir jedenfalls ein Budget vorlegen würden, welches die Gesamtausgaben des Bundes umfaßt, die militärischen nicht ausgeschlossen; nur würden wir das auf der Basis des mit der Vertretung für eine gewisse Dauer von Jahren abzuschließenden Vertrages tun, so daß man uns an dem Militärbudget für diese Zeit keine Streichung machen kann, wenigstens keine solche, die nicht mit dem Bundesfeldherrn vereinbart wäre. Es ist ja möglich, daß der Bundesfeldherr sich überzeugt, dies oder jenes kann ich entbehren, daß er selbst sagt, das will ich. Aber es muß einen Zeitraum geben, in welchem die Existenz des Bundesheeres nicht von zufälligen Schwankungen der Majorität abhängt. Ich will gern zugeben, daß es sehr unwahrscheinlich ist, daß sich in diesem Reichstage eine Majorität finden würde, die nicht dasjenige bewilligen würde, was ihrer Meinung nach zur Verteidigung des Landes hinreichend ist. Ich fürchte in dieser Beziehung nicht gerade von Partikularisten auf diese Weise, auf die hier hingewiesen wurde, ich fürchte vielmehr von der Vermischung der Frage über die Grenze zwischen parlamentarischer und fürstlicher Gewalt mit der Frage von der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands dem Auslande gegenüber; ich halte es nicht für gut, daß man das Bedürfnis hat, den parlamentarischen Einfluß, den man erstrebt und den wir ja gerne den Parlamenten gönnen, vorzugsweise an der Armee zu üben, während mannigfache andere Felder immer überbleiben, um ihn zu üben. Ich glaube, meine Herren, es ist ein fast wirksames Mittel, sich den Einfluß auf die Regierungen zu sichern, den mehrere vorgestrige Redner vermißten [Twesten und Waldeck], wenn Sie beispielsweise die Zollverträge in der Richtung Ihrer Gesetzgebung unterzögen, welche dem Reiche Hilfsquellen abschnitten, wenn Sie beispielsweise diejenigen Beamten abstrichen, die auf dem Reichsbudget für Zollerhebung stehen; wenn Sie Ihre Tätigkeit dahin richten wollten, ein Ihnen unannehmbares System der Regierung zu beseitigen, das Eisenbahn- und Telegraphenwesen lahm zu legen.

    Ich glaube, meine Herren, das wäre vielleicht wirksamer, als wenn Sie sich die Beschließung über die Zusammensetzung und Ausdehnung der Armee vorbehalten; denn dann richtet sich der Beschluß auf die Fundamente der Sicherheit und staatlichen Existenz, namentlich in einem Bundesstaate; da ist die Regierung in derselben Unmöglichkeit nachzugeben, in der die preußische Regierung sich seit mehreren Jahren zu befinden glaubte. Wenn diese Einrichtung, die Bundesarmee, vorläufig diejenige Basis, die am vollständigsten ausgebildet ist, diejenige Basis, die wir am unentbehrlichsten brauchen, durch ein jährliches Votum in Frage gestellt werden sollte, meine Herren, es würde mir das – verzeihen Sie mir, wenn ich ein Gleichnis brauche aus einem Beruf, in dem ich mich früher befand – den Eindruck eines Deichverbandes machen, in welchem jedes Jahr nach Kopfzahl, auch der Besitzlosen, darüber abgestimmt wird, ob die Deiche bei Hochwasser durchstochen werden sollen oder nicht. Aus solchem Deichverbande würde ich einfach ausscheiden, da wäre mir das Wohnen zu unsicher, und ich würde mich der Gefahr nicht hingeben, daß einmal diejenigen, die die Wirtschaft mit freier Weide wünschen, über diejenigen, die mit bestellten und wasserfreien Äckern arbeiten, die Oberhand gewännen und alle durch eine Wasserflut zugrunde gingen.

    Jedenfalls, wie ich es mir schon anzudeuten erlaubte, brauchen wir in dieser Beziehung ein unantastbares Übergangsstadium, bis wir organisch zu Fleisch und Blut miteinander verwachsen sind (Bravo!), und dieser Gedanke wird auch, wie ich glaube, von einem großen Teil der strengeren Konstitutionellen, die aber das Zustandekommen der Sache wollen, nicht angefochten. (Bravo! Sehr richtig!)

    Im übrigen bemerke ich in Bezug auf einige Einzelheiten, die moniert worden sind, um zu verhindern, daß die Diskussion sich öfter auf dieses Gebiet begibt als nötig ist, beispielsweise unsere Beziehungen zu Süddeutschland. Der Herr Abgeordnete Waldeck hat vorgestern sich lediglich von der Herstellung eines konstitutionellen einheitlichen Ministeriums die Wirkung versprochen, „dann hätten wir die Süddeutschen“, wie er sich ausdrückte. Ich glaube, wir können sie nicht sicherer zurückschrecken, als wenn wir in eine solche Richtung treten, die, wie ich vorhin andeutete, mit der Mediatisierung der deutschen Fürsten große Ähnlichkeit hätte.

    Wer sind diese Süddeutschen? Einstweilen ist es die bayrische, die württembergische, die badische Regierung. Glauben Sie, daß Seine Majestät der König von Bayern oder von Württemberg sich durch solche Einrichtungen, wie sie der Abgeordnete Waldeck in Vorschlag brachte, besonders angezogen fühlt? (Heiterkeit.)

    Meine Herren! Ich weiß das Gegenteil.

    Unser Verhältnis zu Süddeutschland wird sich an der Hand des Artikels, der sich im Verfassungsentwurfe darüber befindet [Art. 71], meines Erachtens einfach und mit Sicherheit entwickeln. Wir haben zunächst mit Süddeutschland die Gemeinschaft des Zollvereins, eine Gemeinschaft, die in diesem Augenblicke allerdings bis zu einem gewissen Grade in der Luft schwebt, weil die Friedensverträge eine sechsmonatliche Kündigung vorbehalten, bis wir uns über das Verhältnis von Nord- und Süddeutschland in dieser Beziehung geeinigt haben werden; um eine Einigung möglich zu machen, war dieses Kündigungsrecht notwendig. Ich denke also, sobald wir mit der Norddeutschen Verfassung fertig sind, daß wir zunächst den süddeutschen Regierungen Eröffnungen machen, damit sie mit uns zusammentreten, um den Weg zu beraten, auf dem wir zu einem dauernden organischen, nicht alle zwölf Jahre kündbaren Zollverein gelangen. Wir haben für den Norddeutschen Bund diese Wohltat gesichert durch Artikel über Zollgesetzgebung; wir können aber weder verlangen, daß die drei oder vier süddeutschen Staaten alles dasjenige, was wir hier durch die Gesetzgebung, an der sie selbst nicht teilnehmen, beschließen, ohne weiteres annehmen sollen, noch können wir ihnen gegen das, was der Norddeutsche Reichstag gesetzlich beschließt, ein Veto einräumen; ein Veto, das jede von drei oder vier Regierungen ausüben und mit ihren Ständen teilen würde. Soll der Zollverein im bisherigen Umfange fortbestehen, so ist es ganz unvermeidlich, daß organische Einrichtungen geschaffen werden, vermöge deren Süddeutschland an der Gesetzgebung über Zoll¬sachen teilnimmt. Ich enthalte mich, das Nähere anzudeuten, ich glaube aber, es ergibt sich von selbst, wie die Einrichtungen beschaffen sein müssen. (Sehr richtig!)

    Es ist schwer zu glauben, daß eine solche gemeinschaftliche organische Gesetzgebung für Zollsachen – und ich möchte doch dies nicht so unterschätzen und bloß mit dem geringschätzigen Namen „Zollparlament“ belegen; was haben wir nicht für Kämpfe gekämpft! Nur wer in den Geschäften gestanden hat, kann das beurteilen: wie erschienen uns nicht in den Jahren 1852 und 1864 gerade die Zollinteressen als die höchsten politischen Lebensinteressen – ich möchte das nicht unterschätzen, daß eine wirtschaftliche Gemeinschaft für Gesamtdeutschland geschaffen werden kann –; also, es ist schwer zu glauben, daß solche gemeinsame Organe der Gesetzgebung, wenn sie einmal geschaffen, sich der Aufgabe entziehen könnten, auch die meisten der übrigen Titel der materiellen Wohlfahrt, sowie mancher formalen Gesetzgebung, über Prozeßwesen usw. allmählich sich anzueignen, und auch darüber gemeinsame Bestimmungen für ganz Deutschland herbeizuführen.

    Was ferner die Machtfrage betrifft, so halte ich die Vereinigung von Nord- und Süddeutschland jedem Angriffe gegenüber in allen Fragen, wo es sich um die Sicherheit des deutschen Bodens handelt, für definitiv gesichert. Im Süden kann kein Zweifel darüber sein, daß, wenn er in seiner Integrität gefährdet werden sollte, Norddeutschland ihm unbedingt brüderlich beisteht (lebhaftes Bravo!), im Norden ist kein Zweifel darüber, daß wir des Beistandes Süddeutschlands gegen jeden Angriff, der uns treffen könnte, vollständig sicher sind. (Bravo!)

    Einige andere Themata, auch lediglich um Wiederholungen zu vermeiden, erlaube ich mir zu berühren, z.B. die Frage der Reichssteuer. Daß eine Kontingentierung nach der Kopfzahl ein unvollkommener Modus, eine Aushilfe von vorübergehender Natur ist, gebe ich gern zu; das Beispiel von Bremen – ich will nicht gerade den Herrn Vertreter von Bremen vorzugsweise aufs Korn nehmen – und von Hamburg mit seinen reichen Einwohnern im Vergleich zu den Thüringer Waldbewohnern, ist vollständig zutreffend.
    Die Verhandlungen der Vertreter der Regierungen untereinander haben auch gezeigt, daß dieses Bedürfnis der Einführung von Reichssteuern ziemlich allgemein empfunden wird, und man hat sich schon mit den Gegenständen, welche sie betreffen könnten, beschäftigt. Ich glaube daher, daß, wenn es hier gelingt, die Schwierigkeiten zu überwinden, zu deren Überwindung wir bei den kommissarischen Verhandlungen nicht Zeit hatten, namentlich eine solche Steuergesetzgebung sofort so weit auszuarbeiten, daß sie praktisch werden kann, daß bei den verbündeten Regierungen ein prinzipieller Widerstand dagegen wenigstens nicht obwalten wird. Ich betrachte das als Sache der Zukunft und als Sache der Gesetzgebung, sobald wir konstituiert sind.

    Konstituieren wir uns so rasch als möglich, dann haben wir die Fähigkeit, diese Frage zu erledigen, und ebenso die von dem Vertreter für Wiesbaden angeregte wegen Freizügigkeit. Wenn er die bisherige Fassung des Artikels nicht vollständig und erschöpfend genug findet, so ist darin doch alles enthalten, worüber wir uns in diesem Augenblick verständigen konnten. Es stehen da zum Teil sehr erhebliche partikulare Verfassungsrechte entgegen, die man nicht ohne weiteres gewalttätig durchbrechen kann. Ich mache darauf aufmerksam, daß Artikel 4 der Verfassung, Bestimmung 1, ausdrücklich die Frage der Freizügigkeit, Heimats- und Niederlassungsverhältnisse und des Gewerbebetriebs usw. der Gesetzgebung des Bundes zuweist. Der Herr Abgeordnete für Wiesbaden wird also, wenn er, wie ich hoffe, ebensogut Mitglied des künftigen Parlaments sein wird, Gelegenheit haben, dort seine Anträge zu stellen. Ebenso verhält es sich mit der Aufgabe über das Zivilrecht, die Hypotheken und diejenigen Gegenstände, die der Bundesgesetzgebung vorbehalten werden sollen, und es wird das voraussichtlich wenig Widerspruch bei den verbündeten Regierungen finden: keinen stärkeren, als denjenigen, der aus den augenblicklichen Rechtsverhältnissen, die man nicht mit rascher Hand zerschneiden kann, hervorgeht. Ebenso z.B. die Frage wegen Kontrahierung einer Bundesanleihe, über die einer der Herren Vorredner [Lasker] eine Bestimmung im Verfassungs¬entwurf vermißt hat. Wir haben nicht geglaubt, daß sie vermißt werden würde, denn der Art. 65 lautet:

    „Abgesehen von dem durch Artikel 58 bestimmten Aufwande für das Bundesheer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen, sowie von dem Aufwande für die Marine (Artikel 50) werden die gemeinschaftlichen Ausgaben im Wege der Bundesgesetzgebung und, so¬fern sie nicht eine nur einmalige Aufwendung betreffen, für die Dauer der Legislaturperiode festgestellt.“

    Wenn eine Anleihe zu gemeinschaftlichen Zwecken gemacht werden soll, so ist also auch diese Geldbeschaffung, auch diese Manipulation meiner Ansicht nach durch Artikel 65 auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu erledigen, d.h. der Beschlußnahme und der Beratung des Reichstages und dem Bundesrate unterworfen und kann auf diese Weise gesetzmäßig zustande gebracht werden. Wenn von anderer Seite vermißt wurde die Möglichkeit, eine Interpellation an die Regierung zu richten – meine Herren, bequem ist die Einrichtung gerade nicht, aber ich glaube nicht, daß es bisher irgend jemandem in den Sinn gekommen ist, daß, wenn heute eine Interpellation gestellt worden wäre, wir sie nicht beantwortet hätten. Ebenso, wenn die Versammlung Zeit hat, Petitionen, die etwa eingehen, zu bearbeiten, und sie auf den Gegenstand, mit dem wir uns beschäftigen, Bezug haben – denn nur solche dürfen wir für den Augenblick annehmen – so würde dem auch nichts entgegenstehen; Sie werden, meine Herren, die sämtlichen Regierungen bereit finden, auch ohne daß wir durchgreifende und allgemeine Motive vorgelegt haben, über jeden einzelnen Punkt, bei dem Sie Motive vermissen, motivierende Erläuterungen zu geben; ich glaube aber, daß das wesentlich in die Spezialdebatte hineingehört, denn Sie werden nicht zu allen Punkten, zu sehr vielen werden Sie nicht das Bedürfnis empfin¬den, überhaupt Motive zu besitzen, weil sie in sich selbst klar sind.

    Ich weiß nicht, ob ich während der Generaldiskussion noch weiter Veranlassung habe, das Wort zu nehmen oder einer meiner Herren Kollegen. Für den Augenblick wüßte ich dem, was ich gesagt habe, nichts weiter hinzuzufügen als die nochmalige Aufforderung: meine Herren, arbeiten wir rasch! Setzen wir Deutschland, sozusagen, in den Sattel! Reiten wird es schon können. (Lebhafter Beifall.)