Gestorben werden muss einmal

    Bei einem Besuch des Schriftstellers Maximilian Harden in Friedrichsruh erzählt Bismarck im Januar 1894, das er seine letzte Ruhestätte im Sachsenwald finden wolle.

    Auf dem Heimweg wurde er still und ließ dicht vor dem Herrenhaus halten. Er wies mit der Krücke des Stockes auf einen Hügel gegenüber dem Hause, das man töricht ein Schloß genannt hat, und sagte: „Da, denke ich, werde ich mich einmal mit meiner Frau begraben lassen. Ich hatte auch an Schönhausen gedacht; aber hier ists wohl paßlicher, denn in Schönhausen bin ich doch eigentlich schon lange ein Fremder“. Der Gast hatte zu schweigen.

    Abends, als die altfränkische Öllampe freundlich brannte und die kränkelnde Fürstin auf ihrem Sofa, neben Lenbachs Meisterbild des alten Kaisers, eingenickt war, schlug der Sinnende wieder das Thema an, verarbeitete es nach seiner Weise und schien sich in humoristischer Ausmalung des feierlichen Lärmes, der nach seinem Tode losbrechen würde, nicht genug tun zu können. Frau Johanna schrak auf und rief ganz ärgerlich: „Aber Ottochen, wie kannst Du nur so traurige Sachen reden!“ „Liebes Kind“, war die Antwort, „gestorben muß einmal sein, trotz Schweninger [Bismarcks Hausarzt], und ich will wenigstens rechtzeitig dafür sorgen, daß mit meinem Leichnam kein Unfug getrieben wird. Ich möchte nicht, wie die Berliner sagen, eine schöne Leiche sein; und eine von der bekannten Aufrichtigkeit, die heimlich ‚Uff!‘ macht, inszenierte Trauerkomoedie, so zwischen Vogelwiese und Prozession, wäre so ziemlich das Einzige, was mich noch schrecken könnte.“

    Maximilian Harden, Köpfe, 30. Aufl., Berlin 1910, S. 29f.

    Ansichtskarte Bismarcks letzte Ruhesttte um 1900Mausoleum der Familie von Bismarck in Friedrichsruh, Ansichtskarte, um 1900 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)