Bei einem Essen mit dem Publizisten Friedrich Schmidt-Hennigker im Februar 1895 sinniert Bismarck über das Glück.
Angesichts der heiteren Stimmung und des in rüstiger Frische erglänzenden Antlitzes des greisen Helden, sagte Einer von uns zu ihm: „Durchlaucht sind doch ein glücklicher Mann.“ „Glücklich?“ erwiderte der Fürst nachdenklich. „Meine Herren, was nennen Sie glücklich? – Ein glücklicher Mann bin ich selten gewesen, Wenn ich die spärlichen Minuten wahren Glückes zusammenzähle, so kommen nicht mehr als vierundzwanzig Stunden im Ganzen heraus.“ [...]
„In der Politik, meine Herren,“ fuhr der Fürst fort, „meinen Sie, hätte ich Glück gehabt? – In der Politik giebt es für den, der sie treibt, wie ich sie habe treiben müssen, kein Glück. Der Staatsmann ist wie ein Börsenspieler. Wenn der heute eine Million gewonnen hat, und er denkt sich darüber zu freuen, so kommt auch schon die Sorge, wie er die gewonnenen Millionen zu weiteren Spekulationen anlegen könne. So auch mit meinen Unternehmungen! Wenn mir die eine gelungen, so mußte ich sogleich wieder darauf sinnen, wie der Erfolg festzuhalten und auszunutzen sei. Der Staatsmann wirtschaftet mit fremdem Vermögen, das fällt um so schwerer ins Gewicht, je mehr man Ehrgefühl im Leibe hat. –
Meine politische Laufbahn war ein Hetzen und Jagen, bei dem man zum Genuß nie gekommen ist. – Ich habe in meinem Leben als Staatsmann nicht einmal Zeit gefunden, ein Konzert oder ein Theater zu besuchen. Erfreut aber habe ich mich oft an der Hausmusik, die mir meine Johanna auf dem Flügel bereitete.“
Fr. Schmidt-Hennigker (Bearb.), Bismarck-Anekdoten. Heitere Szenen, Scherze und charakteristische Züge aus dem Leben des ersten Reichskanzlers, 10. Aufl., Stuttgart o.D., S. 207-209