Bei einem Besuch des Arztes Dr. Wilhelm Gittermann in Friedrichsruh grübelt Bismarck im Februar 1893 über den Dualismus des Erdendaseins.
Abends sitzen wir wieder im Zimmer der Hausfrau. Der Fürst spricht mit Bedauern davon, daß es ihm auch an seinem Lebensabende nicht vergönnt sei, als einfacher Privatmann zu leben; er würde gern öfter nach Hamburg ins Theater fahren, wenn das nur ohne Aufsehen geschehen könnte. Dann greift er zu den Zeitungen und vertieft sich ganz in die Lektüre; nachdem er sich längere Zeit mit keinem Wort an der Unterhaltung beteiligt hat, legt er das zuletzt gelesene Berliner Tageblatt mit einer raschen Handbewegung beiseite und sagt: „Ich möchte wohl wissen, ob der Dualismus, der durch unser ganzes Erdendasein geht, sich auch bis auf das höchste Wesen erstreckt; bei uns ist ja alles zweiteilig, der Mensch besteht aus Geist und Körper, der Staat aus Regierung und Volksvertretung, und die Existenz des ganzen Menschengeschlechts basiert auf dem gegenseitigen Verhältnis von Mann und Frau; ja dieser Dualismus erstreckt sich bis auf ganze Völkerschaften, die sich gewissermaßen in ihren Eigenschaften ergänzen – wie der körperlich starke, sittliche, aber etwas steife Germane und der elegante, leichter bewegliche, aber weniger kräftige Slawe. Ohne mich einer Gotteslästerung schuldig zu machen, möchte ich daher wohl wissen, ob nicht auch unser Gott ein Wesen zur Seite hat, das ihn so ergänzt, wie uns die Frau.“
Wilhelm Gittermann, Erinnerungen an Friedrichsruh, in: Grenzboten 1899, S. 522