Im Sachsenwald

    Bei einem Besuch des Ministerialbeamten Julius von Eckardt im März 1884 erzählt Bismarck über eine Begegnung mit einer alten Frau im Sachsenwald.

    Von der Bescheidenheit der alten Berlinischen Gewohnheiten ging der Fürst zu der Beschränktheit der Menschen und der Verhältnisse über, die sich bis heute auf dem flachen Lande erhalten habe. Auf einem im vorigen Jahre unternommenen größeren Spaziergange im Sachsenwalde hatte sich der Herr desselben so vollständig verirrt, daß er ermüdet und verdurstet in eine einsam liegende Hütte getreten war, um ein Glas Milch zu erbitten. In dem einzigen größeren Gelaß fand er eine alte Frau – die Mutter eines Holzknechts –, die ihr in der Wiege liegendes Enkelkind schaukelte und das Ansuchen des unerwarteten Gastes mit der Frage beantwortete, ob der Herr während ihres Ganges in den Stall das „Gör“ schaukeln wolle. Der Fürst übernahm die Mühewaltung, bis die Alte mit dem gewünschten Trunk wiederkehrte. Während Bismarck trank, fragte die Geberin ihn, ob er vielleicht der Herr Oberförster sei. „Nein“, erwiderte der Fürst, „ich bin der Herr selber, der Bismarck.“ - „Von dem weiß ich nichts“, erhielt er zur Antwort, „aber unseren Herrn Oberförster hätte ich gern einmal gesehen.“

    Julius von Eckardt, Lebenserinnerungen, Bd.2, Leipzig 1910, S. 120

    Waldhterhaus im SachsenwaldWaldwärterhaus im Sachsenwald. Fotografie von Richard Linde, 1896 (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)