In einem Gespräch mit dem Zivilgouverneur von Livland, Burchard von Oettingen, erzählt Bismarck im Oktober 1872 von der Liebe Kaiser Wilhelm I. zu Varziner Würsten.
„Meine Vorträge im Palais, die gewöhnlich zwischen 12 und 1 Uhr vormittags stattfanden, unterbrach der Kaiser oft“, erzählte Bismarck weiter, „mit vielen Fragen und Einwänden, so daß die Vorträge oft lange dauerten und den Kaiser müde und hungrig machten. Der Leibarzt Dr. Lauer hatte daher ausdrücklich einen kräftigen Imbiß verordnet, der aber oft nicht rechtzeitig zu erlangen war. Ich erlaubte mir daher einmal dem Kaiser eine Varziner Wurst mitzubringen, die er einmal kurz vorher bei mir gegessen und die ihm sehr gut geschmeckt hatte. Der Kaiser dankte hocherfreut, wie ein Kind, dem man Schokolade schenkt, und schloß die Wurst in seinen Schreibtisch ein. Auf meinen Vorschlag, die Wurst gleich zum Frühstück servieren zu lassen, antwortete der Kaiser: ‚Nein, das geht nicht. Die Kaiserin ißt keine Wurst und für die anderen ist sie zu schade‘.“
Bernhard von Oettingen, Bismarck-Erinnerungen, in: Süddeutsche Monatshefte 20, 1923, Bd. 2, S. 34f.