Schaulustige

    Im Oktober 1884 erzählt Bismarck seinem Mitarbeiter Arthur von Brauer über eine Jagd bei einem mecklenburgischen Gutsbesitzer 1866.

    Aus der nahen Stadt waren viele Menschen herbeigeströmt, „um das Rhinozeros zu sehn“, wie er scherzhaft zitierte. „Die Leute waren, wie üblich, wenig diskret. Ich hatte im Schloß zu ebener Erde ein Zimmer, das keine Läden hatte, oder nur solche, die von außen zugemacht werden mußten. Auch verschließbare Vorhänge fehlten. Als ich abends zehn Uhr müde in mein Zimmer trat, erstaunte ich nicht wenig, am Fenster eine dichtgedrängte Menschenmenge zu sehen, Männer, Frauen und Kinder, meist städtisch gekleidet, die mich anstarrten und jede meiner Bewegungen mit Neugier verfolgten. – Ich begann mich langsam auszuziehen, in der Erwartung, daß man sich nun zurückziehen werde. Aber nicht im geringsten! Ich schreite in meiner Nachttoilette weiter und stehe jetzt vor dem kritischen Augenblick, mein Hemd mir über den Kopf ziehen zu müssen. Aber die Leute wankten und wichen nicht. Ich kann doch den Leuten zulieb nicht im Taghemd zu Bett gehen, denke ich. Also, ich mache eine kleine Kunstpause in der Erwartung, daß wenigstens die Damen sich zurückziehen werden. Als mich dann aber ein schielender Blick nach dem Fenster belehrte, daß man die Frist unbenutzt gelassen hatte, zog ich in Gottes Namen mein Hemd über den Kopf. – Noch waren die Gesichter dicht ans Fenster gepreßt, als ich nach meiner Lektüre im Bett das Licht löschte.“

    Arthur von Brauer, Im Dienste Bismarcks. Persönliche Erinnerungen, hrsg. von Helmuth Rogge, Berlin 1936, S. 171