Der tolle Junker

    Auf einer Reise zu Bismarcks Gut Varzin in Pommern hört der Journalist Moritz Busch 1877 eine Geschichte über dessen Sturm- und Drangzeit in den 1840er-Jahren auf Gut Kniephof.

    Schaudernd hörten damals die jungen Fräulein der benachbarten Edelhöfe und deren Mütter und Basen, kopfschüttelnd und ein schreckliches Ende weissagend deren Väter und Onkel von wüsten Gelagen, bei denen Fluten von Champagner und Porter [dunkles Bier], zu „Kriegsbowlen“ gemischt, vertilgt worden waren, von Ritten, als ob der wilde Jäger daher käme, von Pistolenschüssen, mit denen mitten in der Nacht die Gäste geweckt wurden, von kecker Verspottung des Herkommens durch allerlei Unfug und Übermut.

    Daß vieles hiervon Wahrheit sei, konnte das alte Herrenhaus in Kniephof bezeugen, das, von den Genossen oder den Tadlern des Junkers nicht uneben in „Kneiphof“ umgetauft, jetzt längst einem elegantern Platz gemacht hat. Daß manches wenigstens zur Hälfte Dichtung der Nachbarn sei, konnte es ebenfalls darthun. Das Unheil endlich, das gesetzte Leute aus dem Unfuge prophezeiten, ist gleichermaßen Phantasie geblieben. Der gärende Most klärte sich trotz seines Brausens zur rechten Zeit, und was daraus geworden ist, weiß die Welt.

    Moritz Busch, Tagebuchblätter, Bd.2: Graf Bismarck und seine Leute während des Krieges mit Frankreich 1870-1871 bis zur Rückkehr nach Berlin Wilhelmstraße 76 – Denkwürdigkeiten aus den Jahren 1871 bis 1890 – Varzin, Schönhausen, Friedrichsruh, Leipzig 1899, S. 450f.

     

    Bismarck Bernhard KniephofGut Kniephof, gezeichnet von Bernhard von Bismarck (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)